Asperger-Syndrom

Psychologin zeigt Emotionen während einer Therapiesitzung mit einem Kind.
Asperger-Betroffene haben oft Schwierigkeiten sich in andere hineinzuversetzen und soziale Signale korrekt zu deuten.
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Das Asperger-Syndrom ist eine Entwicklungsstörung, die dem Krankheitsspektrum des Autismus angehört und in der Kindheit beginnt. Typisch sind Auffälligkeiten im Sozialverhalten, in dem Bedürfnis nach Routinen und stereotypen Verhaltensweisen, in der Motorik und in der sensorischen Reizverarbeitung.

Medizinische Expertise

Stefanie Süßenbacher-Kessler

Dr.in Stefanie Süßenbacher-Kessler

Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin
Lazarettgasse 43/Top 9, 1090 Wien
www.praxis-lazarettgasse.at
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Menschen mit Asperger-Syndrom zeichnen sich oft auch durch sehr spezielle und intensive Interessen aus. Unbehandelt kann das Asperger-Syndrom häufig zu maßgeblichen psychischen Belastungen führen, die jedoch durch Anpassungen des Umfelds (z.b. Anpassung des Arbeitsplatzes, der sozialen Kontakte, geregelter Tagesablauf etc.) abgemildert werden können. 

Gleichzeitig geht das Asperger Syndrom häufig auch mit besonderen Talenten einher, die vom Umfeld teilweise hoch geschätzt werden, wie z.b ein sehr genauer, detailfokussierter Arbeitsstil oder auch ein überdurchschnittlich tiefes Verständnis für Themenbereiche, in die man sich vertieft.

  • Das Asperger-Syndrom ist eine Entwicklungsstörung am Autismusspektrum. 
  • Anders als bei anderen Autismusspektrum Störungen ist die intellektuelle und sprachliche Entwicklung bei Betroffenen in der Regel unauffällig.
  • Betroffene haben Schwierigkeiten, soziale Situationen intuitiv richtig zu erfassen und sich in ihnen zurecht zu finden. Daraus entstehen häufig Schwierigkeiten, z.b beim Knüpfen sozialer Kontakte oder in der Kommunikation. 
  • Für die Behandlung gibt es verschiedene Therapieformen wie etwa psychologische und psychoptherapeutische Verfahren (z.b Applied behaviour analysis, TEACCH), soziale Kompetenztrainings, tiergestützte Therapie, Musiktherapie oder Ergotherapie. 
Art autistische Entwicklungsstörung
Ursache vor allem genetische Faktoren
Symptome Schwierigkeiten im Sozialverhalten, Kommunikation, sensorischen Reizverarbeitung und Motorik. Bedürfnis nach Routinen und stereotypen Verhaltensweisen. Intensive und spezifische Interessen.
Diagnose Anamnese, Verhaltensbeobachtung, Fragebögen 
Therapie psychologische und psychoptherapeutische Verfahren, Ergotherapie, Musiktherapie, tiergestützte Therapie

Das Asperger-Syndrom ist eine genetisch bedingte Entwicklungsstörung aus dem autistischen Spektrum bei der es zu einer veränderten Informationsverarbeitung von Außenreizen kommt. Studien haben nachgewiesen, dass autistische Menschen Abweichungen in mehreren Gehirnstrukturen haben, u.a im frontalen Cortex, der Amygdala (Mandelkern) und in den Basalganglien (Kerne unter der Großhirnrinde).

Nachgewiesen wurde beispielsweise, dass Asperger-Betroffene häufig Schwierigkeiten haben, Gesichter zu erkennen. Sie haben einen anderen Blickverlauf als Nicht-Asperger. Es besteht eine viel stärkere Wahrnehmung von Details und eine im Umkehrschluss schlechtere Kohärenzleistung: das "große Gesamtbild" wird nicht hergestellt.

Derzeit liegen keine genauen Zahlen zur Häufigkeit in Österreich vor. Laut der deutschen Website „Neurologen & Psychiater im Netz“ sprechen Untersuchungen von einer Häufigkeit aller Autismus-Spektrum-Störungen von ca. 1% im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. Am häufigsten ist dabei der atypische Autismus gefolgt von frühkindlichem Autismus und dann dem Asperger Syndrom. Die Diagnose wird häufiger bei Buben gestellt. 

Der aktuellen Studienlage zufolge ist eine genetische Komponente für die Entstehung eines Asperger-Syndroms wahrscheinlich. Die genauen Ursachen sind jedoch ungeklärt.

Ein Asperger-Symdrom macht sich in erster Linie durch Auffälligkeiten in sozialen Interaktionen bemerkbar. Typische Anzeichen sind:

  • Schwierigkeiten sich in andere hineinzuversetzen und soziale Signale korrekt zu deuten. Dies kann auch mit verminderter Mimik und Gestik einhergehen.
  • Kontaktschwierigkeiten: Probleme, sozialen Anschluss zu finden, sich in Gruppen zu bewegen, auf Menschen zuzugehen und Small Talk zu führen.
  • Blickkontakt: Betroffene meiden teilweise den direkten Blickkontakt bzw. müssen sie sich aktiv darum bemühen.
  • Schwierigkeiten im beruflichen und privaten Umfeld: aufgrund der sozialen Schwierigkeiten fühlen sich Asperger-Betroffene häufig ausgegrenzt und "anders" als andere.

Im Bereich der Sprache zeigen betroffene Kinder teilweise bestimmte Akzentuierungen in folgenden Bereichen:

  • Sprachmelodie: z.b monoton, eintönig, geringe Modulation
  • Stimmlage: z.b zu hoch/zu tief, dem Inhalt nicht angepasst (ernst, lustig, traurig)
  • Kommunikation: wirkt künstlich oder "unspontan", ist oft langatmig und umständlich

Weitere Symptome, die Hinweise auf ein Asperger-Syndrom sein können, zeigen sich bei:

  • Motorik: Diese kann aufgrund von Koordinationsstörungen in der Grob- und Feinmotorik ungeschickt wirken.
  • Interessen: Meist liegen intensive, tw. ausgefallene Interessen vor, wobei häufig eine Präferenz für faktisches Wissen (z. B.Klassifizierungen, Flusslängen und -namen, Baumarten, Flugzeugmarken oder ähnliche Daten) vorliegt
  • Sensorische Überempfindlichkeit: z.b für Lärm, Gerüche, Berührungen
  • Hohes Bedürfnis nach Routinen und Struktur: z.b haben Betroffene Schwierigkeiten sich auf spontane Planänderungen einzulassen bzw. mit ihnen umzugehen oder den Wunsch gewisse Dinge immer in ähnlicher Form durchzufühen.

Weitere Entwicklung von Betroffenen

Erste Verhaltensauffälligkeiten werden häufig im Kindergarten oder im Volkschulalter bemerkt, wenn Kinder mit Asperger-Syndrom untypische Verhaltensweisen im Spiel mit anderen Kindern zeigen, unbewusst gegen soziale Regeln verstoßen, ungewöhnliche Interessen haben oder starke Einzelgänger sind. 

Im Jugend- und Erwachsenenalter kann dieses Verhalten teils kompensiert werden, viele Betroffene haben jedoch auch im Erwachsenenalter Schwierigkeiten soziale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Teilweise fällt es ihnen schwer, im Alltag Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und sich an neue Situationen anpassen. Eine Folge können Depressionen, Angststörungen oder Zwänge sein. 

In ausgeprägten Überforderungssituationen kann es zu so genannten Melt downs (=automatisierte Reaktion auf Reizüberflutung, tw. verbunden mit starken Angstreaktionen, Rückzugsverhalten, Erstarren oder in Extremfällen auch zu selbst- oder fremdaggressiven Verhaltensweisen) kommen.

Die Diagnose Asperger-Syndrom stellt die Fachärzt:in anhand spezieller Kriterien, die von Fachgesellschaften erstellt wurden (ICD-10 und DMS-5). Zusätzlich erfolgt in der Regel eine spezifische klinisch-psychologische Testung sowie eine Außenanamnese durch Angehörige.

Das Asperger-Syndrom ist nicht heilbar, es gibt aber Möglichkeiten, um Betroffenen das Leben zu erleichtern. Therapien, die häufig angewendet werden, sind:

  • psychologische und psychoptherapeutische Verfahren (z.b Applied behaviour analysis, TEACCH): mit dem Ziel die sozialen Kompetenzen, die Kommunikationsfähigkeit sowie alltagspraktischen Kompetenzen zu fördern.
  • Tiertherapie: Tiergestützte Therapie kann bei Asperger-Betroffenen gut geeignet sein, um soziale Kompetenzen zu trainieren sowie das Stresslevel zu reduzieren.
  • Musiktherapie: Musik eignet sich gut, um Gefühle auszudrücken, die Betroffene nicht in Worte fassen können. Sie kann auch bei sozialen Hemmungen eine Brücke zwischen Menschen schlagen und fördert neuronale Verbindungen, die wiederum das Belohnungszentrum aktivieren.
  • Ergotherapie: Die Ergotherapie hilft, sensomotorische Probleme zu behandeln. Asperger-Betroffene zeigen häufig Beeinträchtigungen in der Grob- und Feinmotorik. Mit einem speziellen sensorischen Integrationstraining wird unter anderem das Zusammenspiel von Fingern und Händen trainiert.
  • soziales Kompetenztraining: Asperger-Betroffene haben oft Schwierigkeiten, mit anderen in Kontakt zu treten oder soziale Regeln zu verstehen. Beim sozialen Kompetenztraining werden soziale Werte teils spielerisch vermittelt und kommunikative Kompetenzen erworben.

Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

10. Mai 2024

Erstellt am:

5. Dezember 2015

Stand der medizinischen Information:

10. Mai 2024

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