Legasthenie (Lese- und Rechtschreibstörung, LRS)

Ein Kind macht Hausaufgaben und schreibt einen Text.
Betroffene einer Legasthenie haben auffällige Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben.
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Betroffene einer Legasthenie haben erhebliche Probleme beim Lesen und Schreiben. Ein direkter Zusammenhang mit der Intelligenz besteht nicht.

Medizinische Expertise

Elisabeth Kohl-Weidinger

Mag. Elisabeth Kohl-Weidinger

Klinische Psychologin mit Spezifizierung in Kinder-, Jugend-, und Familienpsychologie, Gesundheitspsychologin, Wahlpsychologin, klientenzentrierte Spieltherapeutin, Ergotherapeutin
Adolf-Holzer-Gasse 9, 2380 Perchtoldsdorf
www.kinderpsychologie-kohl.at
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Eine sehr niedrige Lese- und Schreibgeschwindigkeit, zahlreiche Rechtschreibfehler, Vertauschung von Wörtern/Buchstaben, Probleme beim Leseverständnis und eine schlecht leserliche Schrift zählen zu den möglichen Anzeichen einer Legasthenie. Derzeit geht man von einer neurobiologischen Ursache und einer familiären Häufung (genetische Disposition) aus, die zur Entstehung einer LRS beiträgt. Auffälligkeiten zeigen sich auf oft im Spracherwerb im Kleinkindalter (Sprachlautverarbeitung). Eine gezielte und frühe Förderung der Lese- und Rechtschreibfähigkeiten ist sinnvoll und erzielt auch gute Ergebnisse.

  • Die Legasthenie wird auch Lese- und Rechtschreibstörung (LRS) genannt.
  • Wenn in der Familie ein oder sogar beide Elternteile oder Geschwister eine LRS haben, dann ist das Risiko erheblich erhöht.
  • Symptome der Legasthenie sind unter anderem langsames, monotones Lesen, viele Fehler beim Schreiben, Schwierigkeiten beim Zusammenlauten von Buchstaben, Vertauschung von Wörtern/ Buchstaben, Schwierigkeiten im Leseverständnis und ein schwer leserliches Schriftbild.
  • Die Diagnose Lese- und Rechtschreibstörung wird zumeist von klinischen Psycholog:innen gestellt. Davor sollten ärztlich mögliche körperliche Ursachen (z.B. Fehlsichtigkeit, Hörstörungen) ausgeschlossen werden.
  • Betroffene Kinder sollten in der Schule möglichst früh und konsequent gefördert werden. Zudem sind bei Kindern, die eine LRS haben, häufig auch zusätzliche Schwierigkeiten, sogenannte Komorbiditäten, (wie z.B. niedrige Konzentration) vorhanden.
Art Lernstörung/Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten
Ursachen vermutlich neurobiologische Ursachen mit genetischer Disposition
Symptome sehr langsames Lesen, sehr langsames Schreiben, viele Rechtschreibfehler
Diagnose Intelligenztests, einschlägige Lese- und Rechtschreibtests, andere körperliche Ursachen sollten im Vorfeld medizinisch ausgeschlossen werden
Therapie gezielte Förderung, Training sowohl in der Schule als auch im familiären Umfeld (z.B. durch Legasthenietrainer:in)

Die Legasthenie wird auch als Lese- und Rechtschreibstörung oder LRS bezeichnet und ist eine Lernstörung. Betroffene haben Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben. LRS steht nicht in Zusammenhang mit einer geminderten Intelligenz.

Die genauen Ursachen einer Legasthenie sind noch nicht restlos geklärt, bei Betroffenen gibt es allerdings nachweisbare neurobiologische Auffälligkeiten. Gesichert scheint außerdem, dass genetische Faktoren eine große Rolle spielen. So vererben 60 – 70 % der Betroffenen die Störung an ihre Kinder weiter. Sind sogar beide Elternteile Legastheniker:innen, ist das Erkrankungsrisiko dementsprechend hoch.

Neben der Genetik dürfte es folgende Risikofaktoren bzw. frühkindliche Indikatoren geben:

  • Wahrnehmungsstörungen: Probleme bei der visuellen Wahrnehmung und sogenannte
  • Blickfunktionsstörungen, verminderte visuelle und auditive Reizverarbeitung
  • Unzureichende Fähigkeit Informationen zu verarbeiten
  • Verzögerte Sprachentwicklung: spricht ein Kind etwa gegen Ende des zweiten Lebensjahres noch gar nicht oder fast nicht, ist die Sprachentwicklung verzögert
  • Defizite in der expressiven und rezeptiven Sprache
  • Psychosoziale Faktoren: schwächere soziale Schichten
  • Schwaches phonologisches Bewusstsein: Schwäche oder Unfähigkeit, Wörter richtig wahrzunehmen, erkennbar z. B. durch Schwächen bei der Silbentrennung oder Problemen bei der Findung von Reimwörtern

Betroffene einer Legasthenie haben erhebliche Probleme beim Lesen und Schreiben.

Symptome beim Lesen:
  • sehr langsames Lesen
  • Startschwierigkeiten beim Lesen
  • Schwierigkeiten beim Lesen in der Zeile zu bleiben
  • Buchstaben werden einzeln gelesen
  • Wörter werden ausgelassen oder ausgetauscht
  • monotones Vorlesen ohne Betonung
  • Inhalt des Textes wird nicht erfasst
Symptome beim Schreiben:
  • sehr langsames Schreiben
  • Schwierigkeiten beim Merken korrekter Schreibweise eines Wortes
  • Verwechslung von ähnlich aussehenden oder klingenden Buchstaben
  • viele Rechtschreibfehler
  • viele Grammatikfehler
  • unleserliche Schrift

Da Legasthenie nicht in Zusammenhang mit eingeschränkter Intelligenz steht, weisen viele Betroffene in anderen Lernbereichen keine Auffälligkeiten auf. Allerdings wirken sich Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben häufig indirekt auf die Leistungen in mehreren Schulfächern aus.

Manchmal kann die LRS von anderen Schwierigkeiten begleitet werden (motorische Unruhe, Überforderung, Ängste oder auch Depressionen). Oft kommen auch Konflikte beim Erledigen der Hausübungen mit den Bezugspersonen hinzu, welche zusätzlich belastend sein können.

Bestehen auffällige Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben, sollte man mit dem betroffenen Kind zunächst eine Kinderärzt:in  bzw. Kinderpsycholog:in / Schulpsycholog:in aufsuchen. Diese werden verschiedene Tests durchführen bzw. veranlassen, um mögliche andere Erklärungen für die Probleme auszuschließen. 

Für die Diagnostik werden folgende standardisierte Untersuchungen angewandt: 

  • Intelligenztest (vorallem der nonverbale IQ ist wesentlich) 
  • einschlägige Lese- und Rechtschreibtests (muss in der Sprache des Erstlese- und Schreibunterrichts durchgeführt werden) 
  • psychologische Tests (genaue Anamnese und evtl. Fragebögen; unter anderem Beurteilung von aktivem und passivem Sprachvermögen, Leidensdruck: Die Störung beeinträchtigt das Kind wesentlich) 

Ausgeschlossen werden müssen im Rahmen einer klinischen Diagnostik:

  • Fehlsichtigkeit
  • Schwerhörigkeit
  • neurologische Beeinträchtigungen
  • psychosoziale Faktoren (Stresssituationen wie z. B. Trennung der Eltern)

Bei der Austestung einer LRS gehört ein Intelligenztest zur standardisierten Vorgehensweise und sollte immer gemacht werden. Denn nach offizieller Klassifikation laut ICD ist nur dann von einer Legasthenie zu sprechen, wenn keine eingeschränkte Intelligenz vorliegt. Wichtig zu berücksichtigen ist zudem, dass hinter dem Lernproblem bei Legasthenie keine "Faulheit" steckt, sondern die Schwäche oder auch Störung.

Legasthenie ist gut behandelbar. Die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben können durch gezielte Förderung gemildert werden. Es sind vor allem die Eltern und Lehrer:innen gefordert, auf die betroffenen Kinder gezielt einzugehen und mit ihnen ein intensives Lese- und Rechtschreibtraining durchzuführen. Wichtig ist, dass dies so früh wie möglich beginnt und konsequent durchgezogen wird. 

Mögliche außerschulische Anlaufstellen sind:

Lese-Rechtschreibschwäche Die Begriffe Legasthenie und Lese-Rechtschreib-Schwäche werden zwar oft synonym verwendet, ganz korrekt ist dies allerdings nicht. Eine Schwäche kann auch vorübergehend, insbesondere aufgrund psychosozialer Faktoren, auftreten und muss keine genetischen  oder neurobiologischen Ursachen haben. 
Dyslexie (Lesestörung)
und Alexie
Die Dyslexie bezeichnet spezifischer als die Legasthenie nur Probleme beim Lesen. Anders als die Legasthenie ist sie per Definition nicht angeboren, sondern erworben – z. B. als Folge eines Schlaganfalls. Als stärkste Form der Dyslexie wird die Alexie definiert, eine neurologisch bedingte vollständige Unfähigkeit zu lesen.
Dysgraphie (Schreibstörung)
und Agraphie
Als Pendant zur Dyslexie beschreibt die Dysgraphie eine nicht angeborene, sondern erworbene Schreibstörung. Der Begriff Agraphie bezeichnet demnach eine starke Schreibstörung, die in der völligen Unfähigkeit, zu schreiben, mündet.
Dyskalkulie und Akalkulie Die Begriffe Dyskalkulie und Akalkulie bezeichnen Schwächen im arithmetischen Denken, konkret also im Umgang mit Zahlen und anderen mathematischen Themenbereichen. Somit stehen sie nicht im direkten Zusammenhang mit einer Legasthenie, allerdings treten die Störungsbilder häufig parallel auf.

Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Erstellt am:

12. März 2024

Stand der medizinischen Information:

12. März 2024


ICD-Code:
  • F81

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