Wahn

Frau glaubt verfolgt zu werden.
Personen, die sich verfolgt fühlen, sollten therapeutische Hilfe suchen.
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Bei Wahn handelt es sich um eine Fehlbeurteilung der Realität. Betroffene sind von etwas überzeugt, für das es keine objektiven Anhaltspunkte gibt.

Medizinische Expertise

Kristina M. Ritter

DDr.in Kristina M. Ritter

Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie, EMDR- Traumatherapie), Zertifizierte Mediatorin, Kultur- und Sozialanthropologin
Westbahnstraße 31/15, 1070 Wien
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Wahn tritt bei 2 – 3 % aller Menschen als isolierte wahnhafte Störung auf. In diesen Fällen liegen außer dem Wahn – der u. a. Verfolgung, Schuld oder Eifersucht zum Thema haben kann – keine anderen Symptome psychischer Störungen vor. Der Verlauf ist meist chronisch, die Behandlung mittels Medikamente und Gesprächstherapie wird oft nicht gut angenommen. Häufig ist Wahn auch ein Symptom von diversen psychischen Störungen.

  • Unter einem Wahn versteht man eine unkorrigierbare Fehlbeurteilung der Wirklichkeit.
  • Häufig treten Wahnvorstellungen bei Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Manie auf.
  • Es gibt unterschiedliche Arten von Wahnthemen wie den Beziehungswahn oder Eifersuchtswahn.
  • Die Übergänge zwischen normalen Vorstellungen und krankhaften Wahnvorstellungen sind meist fließend. Entscheidend ist die subjektive Gewissheit der Patient:in über die Wahninhalte.
  • Die Behandlung eines Wahns kann mittels Psychotherapie oder Medikamenten erfolgen.

Art

psychische Störung

Beschreibung

unkorrigierbare Fehlbeurteilung der Wirklichkeit
Ursache Störungen in bestimmten Regionen im Frontallappen des Gehirns
Risikofaktoren Schizophrenie, affektive Störungen wie Depressionen
Diagnose Anamnese, Beurteilung anhand bestimmter Kriterien
Therapie medikamentöse Behandlung, Psychotherapie

Rund 2 – 3 % aller Menschen sind von wahnhaften Störungen betroffen. Bei diesen psychischen Störungen ist Wahn das einzige Symptom.

Des Weiteren kann Wahn als Symptom einiger psychischer Erkrankungen auftreten:

Die Ursachen des Wahns sind noch nicht vollends erforscht. Neuere Studien gehen davon aus, dass Störungen in einer bestimmten Region im Frontallappen des Gehirns (der ventromediale präfrontale Cortex) die Wahnvorstellungen auslösen könnten, unter Einfluss des Botenstoffs Dopamin. Diese Hirnstrukturen sind unter anderem dafür verantwortlich, wie subjektive Vorstellungen über die Realität geschaffen werden, welche Gefühle in verschiedenen Situationen empfunden werden und geben Einsicht darüber, was man selbst und was andere denken.

Bei Wahn werden realen Sinneswahrnehmungen (z. B. ein Auto, das vor der Haustür parkt) abnorme Bedeutungen zugeordnet (z. B., dass man von jemandem überwacht wird). Diese Wahnwahrnehmungen sind unkorrigierbar, da die Betroffenen keine Realitätskontrolle durchführen können.

Wahnvorstellungen beginnen mit einer Wahnstimmung, also dem unbestimmten Gefühl, dass irgendetwas vor sich geht. Nach und nach tritt die Wahngewissheit ein – einzelne Wahnerlebnisse (z. B. Auto, das vor der Tür steht; Mann, der einen seltsam angesehen hat) werden verknüpft, manchmal zu zusammenhängenden Wahnsystemen, in die auch andere Personen einbezogen werden. Man unterscheidet folgende Wahnthemen:

Arten des Wahns Symptome Vorkommen
Beeinträchtigungswahn ständige Benachteiligung und Ungerechtigkeiten werden wahrgenommen besonders bei älteren Menschen (ab dem 6. / 7. Lebensjahrzehnt)
Beziehungswahn Erkrankte:r hat das Gefühl, alles um ihn
herum geschieht seinetwegen und um ihm ein Zeichen zu geben; Gefühl, dass andere über einen spotten und lachen
häufigstes Thema bei wahnhafter Störung und oft bei beginnender Schizophrenie
Dermatozoenwahn Überzeugung, dass kleine Tierchen, Würmer oder Parasiten den Körper befallen haben, verbunden mit Halluzinationen des Spürsinns (Krabbeln auf oder unter der Haut) vorwiegend bei älteren Frauen, öfters im Zusammenhang mit Demenz; tritt vor allem bei organisch psychischen Störungen auf
Doppelgängerwahn Erkrankte:r ist überzeugt, dass eine Bezugsperson eine Doppelgänger:in hat oder die eigene Person durch eine Doppelgänger:in verdrängt wird kann unter anderem bei Schizophrenie, Demenz auftreten
Dysmorphophobie wahnhafte Idee, dass man von anderen, aufgrund von tatsächlichen oder eingebildeten Missbildungen des Körpers, abschätzig beurteilt wird gelegentlich bei beginnender Schizophrenie
Eifersuchtswahn betroffene Person ist unkorrigierbar von der Untreue der Partner:in überzeugt bei wahnhafter Störung, Alkoholismus, Schizophrenie; bei Männern häufiger als bei Frauen
Eigengeruchsparanoia eingebildete Wahrnehmung eines unangenehmen eigenen Körpergeruchs z. B. als Symptom von schizophrenen Störungen
Größenwahn eigene Person, Fähigkeiten und Bedeutung werden maßlos überschätzt bei Schizophrenie, Manie, organischen psychischen Störungen
hypochondrischer Wahn Krankheitswahn; umfasst unter anderem Eigengeruchsparanoia, Dysmorphophobie, Dermatozoenwahn unter anderem bei Schizophrenie, Demenz
Kleinheitswahn Gegenstück zum Größenwahn – Betroffene zweifeln ihre Fähigkeiten, manchmal sogar ihre Existenz an; Gefühl der Ohnmacht unter anderem in Verbindung mit Depressionen
Liebeswahn wahnhafte Idee, von einer bestimmten Person geliebt zu werden oft bei wahnhafter Störung, bei Frauen häufiger als bei Männern
Querulantenwahn wahnhafte Überzeugung, ständig Rechtskränkungen zu erleiden Auslöser sind tatsächliche oder eingebildete Ungerechtigkeiten, Persönlichkeit meist starrsinnig und rechthaberisch (paranoide Persönlichkeitsstörung)
Schuldwahn Überzeugung, dass man schuld an einem Verbrechen oder einer sonstigen Verfehlung ist unter anderem in Verbindung mit Depressionen
Verarmungswahn wahnhafte Idee, vor dem finanziellen Ruin zu stehen unter anderem in Verbindung mit Depressionen
Verfolgungswahn Erkrankte:r hat das Gefühl, bedroht und verfolgt zu werden bzw., dass ein Komplott (gegen ihn) geschmiedet wird besonders häufig bei Schizophrenie

Bei vielen Betroffenen, bei denen Wahn isoliert (nicht im Rahmen einer anderen psychischen Erkrankung) auftritt, ist der Verlauf chronisch. Erkrankte Personen lassen sich oft ungern therapeutisch oder medikamentös behandeln. Bei manchen Arten des Wahns (z. B. Kleinheitswahn) kommt es zudem zum Rückzug aus dem Sozialleben.

Wahn ist oft schwer zu diagnostizieren, besonders wenn der Wahn (wie in der anhaltenden wahnhaften Störung) isoliert auftritt. Die Übergänge zwischen normalen Vorstellungen (z. B., dass man nachts auf der Straße verfolgt wird), wie sie auch gesunde Personen haben, und krankhaften Wahnvorstellungen sind fließend. Wichtige Kriterien, um Wahn zu diagnostizieren, sind die subjektive Gewissheit der Patient:in über die Wahninhalte, die Unwiderlegbarkeit (die betroffene Person kann nicht vom Gegenteil überzeugt werden) und die Unkorrigierbarkeit der Wahnwahrnehmungen.

Die Therapie erfolgt mittels Medikamente und Gesprächstherapie. Dabei ist zu beachten, dass Psychopharmaka nicht immer Wirkung zeigen, was unter anderem an der unklaren zugrundeliegenden Ursache der Wahnvorstellungen liegt. Auch die psychotherapeutischen Gespräche werden zum Teil schlecht angenommen, da die Betroffenen so sehr von ihren Wahnwahrnehmungen überzeugt sind, dass sie die objektive Realität, die neben ihrer subjektiven Realität besteht, nicht akzeptieren können.

Wenn Wahn im Rahmen von Schizophrenie, Depressionen oder organischen psychischen Störungen auftritt, müssen diese Erkrankungen entsprechend behandelt werden.

Es ist wichtig, dass die Betroffen:e versucht, durch den Wahn vernachlässigte Aufgaben (z. B. die Ausbildung) wieder aufzugreifen und auch die sozialen Kontakte wieder stärker zu pflegen, wenn das durch den Wahn nicht möglich war. Zusätzlich sollten Menschen mit Wahnvorstellungen keine Drogen (z. B. psychoaktive Substanzen, Cannabis) und keinen Alkohol zu sich nehmen, da diese die wahnhaften Symptome verstärken.


Autor:in:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

7. August 2023

Erstellt am:

30. Juli 2015

Stand der medizinischen Information:

7. August 2023

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