Nahrungsmittelallergie

Häufige Nahrungsmittelallergie: Allergie gegen Erdnüsse
Die Erdnuss-Unverträglichkeit gehört zu den häufigsten Nahrungsmittelallergien.
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Etwa jedes zwölfte Kind und etwa jeder 40. Erwachsene leiden an einer primären Nahrungsmittelallergie. Die häufigsten Auslöser bei Kindern sind Milch, Erdnüsse, Nüsse, Fisch und Soja.

Medizinische Expertise

Herbert Tilg

Univ.-Prof. Dr. Herbert Tilg

Facharzt für Innere Medizin, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Innsbruck
Anichstraße 35, 6020 Innsbruck
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Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Hautreaktionen sowie Schwellungen sind häufige Symptome, bei Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie werden ein Bluttest sowie der Prick-Test durchgeführt. Während sich eine Allergie auf Milcheiweiß bei Kindern so gut wie immer "auswächst", können die anderen Allergien auch bei Erwachsenen auftreten. Die Therapie besteht aus Erkennen und Vermeiden sowie einem Notfallset für den Ernstfall.

An einer primären Nahrungsmittelallergie leiden etwa 2-3 % der Erwachsenen und 6-7 % der Kinder. Die Zahlen schwanken stark, da bei Befragungen der Bevölkerung oft Nahrungsmittel-Intoleranzen (z.B. Laktoseintoleranz, Histaminintoleranz) und Kreuzreaktionen von Pollen- und Schimmelallergikern auf Nahrungsmittel irrtümlich als Nahrungsmittelallergien angesehen werden.

Unter sekundären Nahrungsmittelallergien versteht man allergische Reaktionen (Kreuzreaktionen) auf Nahrungsmittel, die einen dem eigentlichen Allergen sehr ähnlichen Stoff enthalten (z.B. eine allergische Reaktion auf Haselnüsse bei Allergie auf Haselpollen). Wie viele hier betroffen sind, ist sehr schwer zu sagen und hängt stark von der Art der Allergie ab. So reagieren mehr als die Hälfte der Birkenpollenallergiker in Österreich auf bestimmte Nahrungsmittel allergisch, aber nur etwa 5 % der Hausstaubmilbenallergiker. Deswegen führen bekannte Allergien in der Anamnese letztlich auch leichter zur eventuellen Diagnose einer Nahrungsmittelallergie.

Kinder von Allergikern sind häufiger von Nahrungsmittelallergien betroffen als andere.

Nahrungsmittel-Intoleranzen unterliegen einem anderen Krankheitsmechanismus und werden ca. 5-10-mal häufiger beobachtet als echte Nahrungsmittelallergien.

Die häufigsten Nahrungsmittelallergien auf einen Blick

Die häufigsten primären Nahrungsmittelallergien bei kleinen Kindern (etwa bis zum Schulalter) sind jene gegen

  • Kuhmilch-Eiweiß (nicht zu verwechseln mit Laktose-Intoleranz, also Unfähigkeit, Milchzucker aufzuspalten!)
  • Erdnüsse
  • Hasel-, Wal-, Cashew-, Paranüsse und Pistazien
  • Fischeiweiß
  • Soja

Vor allem Allergien bei Kleinkindern können sich oft "auswachsen", nicht selten bleibt aber eine generelle Neigung zur Allergie erhalten, und die Kinder erkranken später an Neurodermitis, Heuschnupfen und/oder Asthma.

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Die häufigsten primären Nahrungsmittelallergien bei Erwachsenen sind jene gegen

  • Nüsse und Ölsaaten (z.B. Sesam)
  • Fische
  • Hühnereier
  • Meeresfrüchte
  • Getreideprodukte
  • Äpfel
  • Soja
  • Gewürze

Hier verschwimmen oft die Grenzen zwischen primärer und sekundärer Nahrungsmittelallergie, also eigentlicher Nahrungsmittelallergie und Kreuzreaktionen bei Pollenallergikern. Die Symptome einer Kreuzreaktion können denen einer primären Nahrungsmittelallergie sehr ähnlich sein, sind aber selten so heftig.

Bei einer Allergie gegen Kuhmilch können zwei verschiedene Eiweiße der Auslöser sein: Kasein oder Molkeneiweiß, in Hühnereiern gibt es vier verschiedene mögliche Allergene. Je nach Allergie werden daher unterschiedliche Produkte vertragen oder nicht.

Die Symptome der primären Nahrungsmittelallergie sind vor allem

Bei der sekundären Nahrungsallergie überwiegt das „orale Allergiesyndrom“ mit

  • Juckreiz / Rötung an den Lippen und in der Mundhöhle
  • Ödeme
  • Niesen
  • Atembeschwerden

Das besondere Problem bei den Nahrungsmittelallergien: Entstehen die Schwellungen in Mund und Rachen, droht Erstickung, wenn nicht schnell gehandelt wird.

Es kann bei einer primären Nahrungsmittelallergie auch zur Anaphylaxie kommen.

Die anaphylaktischen Reaktionen werden in 4 Schweregrade eingeteilt:

  • Schweregrad I: Nasenschleimhaut und Augen sind gereizt (Nase rinnt), Hautausschläge, Unruhe
  • Schweregrad II: Tachykardie (Herzrasen), Hypotonie (erniedrigter Blutdruck), Übelkeit, Schwellungen (Angioödem), Erbrechen, Durchfall
  • Schweregrad III: schwere Atemnot, pfeifende Atmung, Schwäche, Vernichtungsgefühl (Todesangst, Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein) und Bewusstseinstrübung
  • Schweregrad IV: schwerwiegende Herz-Kreislauf-Symptome wie Blutdruckabfall, Kollaps, Bewusstseinsverlust bis hin zum Atemstillstand

Nahrungsmittelallergie auf dem Prüfstand

Nach der Anamnese wird, um eine Neigung zu Allergien zu entdecken, das Blut auf bestimmte Antikörper (IgE) untersucht. Der Prick-Test kommt zum Einsatz, selten auch ein sogenannter Provokationstest. Beim Provokationstest wird ein verdächtiges Nahrungsmittel unter ärztlicher Aufsicht bewusst gegessen und die Reaktion beobachtet.

Leider ist hier der Prick-Test nicht sehr zuverlässig. Oft zeigt er eine Sensibilisierung an, doch der Betroffene spürt beim Essen dieses Nahrungsmittels keine oder nur sehr leichte Beschwerden.

Detektivarbeit des Patienten kann helfen: Rufen Sie sich bei einer Reaktion ins Gedächtnis, was Sie zuletzt gegessen haben und welcher Teil der Mahlzeit der Auslöser sein könnte. Meiden Sie in weiterer Folge das Nahrungsmittel für 1 bis 2 Wochen, und beobachten Sie, ob trotzdem wieder Symptome auftreten. Bleiben die Symptome aus, so liegt der Verdacht nahe, dass Sie den richtigen Auslöser gefunden haben.

In der Behandlung geht es darum, das Allergen zu erkennen und zu vermeiden. Für Lebensmittelallergiker gibt es weder eine Spezifische Immuntherapie, noch eine andere Therapie zur Heilung.

Wichtig ist ein Notfallset, das eine Antihistamin-Tablette, eine Kortisontablette und eine Adrenalinspritze enthält, heute üblicherweise ein einfach zu handhabender "Pen". So ein Notfallset sollte ein Patient mit primärer Nahrungsmittelallergie immer bei sich haben.

  • Informieren Sie Ihr Umfeld über Ihre Allergie und das Notfallset.

  • Erkennen Sie das Allergen! Vor allem in Fertignahrung, aber auch in vielen anderen Produkten ist es oft versteckt. Nicht jeder denkt daran, dass in Brot und Gebäck, im Wiener Schnitzel (Panier!) oder in Schokolade Milch enthalten ist und in Aspik und Suppen Hühnerei als Klärmittel verwendet wird. Erdnüsse können in kleinsten Spuren auch in anderen Produkten vorhanden sein, wenn die Produktionsstraßen (z.B. bei Süßwaren) nicht völlig getrennt sind.
  • Lesen Sie Packungsangaben genau. Außer Kasein, Magermilch oder anderen klaren Aussagen, kann sich auch hinter der Angabe "tierisches Eiweiß (Protein)" ein Milcheiweiß verbergen.
  • Manche Allergene werden beim Erhitzen zerstört und damit harmlos. Erkundigen Sie sich daher spezifisch über "Ihr" Allergen und gehen Sie nicht davon aus, dass Nahrungsmittelallergie gleich Nahrungsmittelallergie ist.
  • Hühnereiweiß kann z.B. auch in Impfstoffen enthalten sein. Informieren Sie daher auch den Arzt über Lebensmittelallergien.
  • Sojamilch ist kein guter Ersatz bei Milchallergien, da auch Soja gerne Allergien hervorruft und die Gefahr einer zusätzlichen Allergie besteht.
  • Achten Sie – vor allem bei Kindern – auf ausreichende Zufuhr der notwendigen Nährstoffe. Werden überhaupt keine Milchprodukte vertragen, so fällt der wichtigste Kalziumlieferant aus. Das sollte entweder durch vermehrtes Essen anderer kalziumreicher Nahrungsmittel oder durch Kalziumpräparate ausgeglichen werden, damit auf Dauer kein Mangel entsteht.
  • T.Schäfer: Epidemiologie der Nahrungsmittelallergie in Europa. In: Ernährung - Wissenschaft und Praxis 2008; 2:4-9
  • Leitlinien der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V.: S3-Leitlinie Allergieprävention - Update 2009
  • Interview Dr. Beatrix Tichatschek am 14.08.2013

Autor:in:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

27. März 2023

Erstellt am:

9. Dezember 2013

Stand der medizinischen Information:

15. Januar 2021


ICD-Code:
  • T78

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