Zwang- und Angststörungen, Panikattacken, Depressionen und Selbstmordgedanken sind mögliche kurz- und langfristige Folgen. Damit gemobbte Kinder in dieser Situation nicht alleine dastehen, sind aufmerksame Eltern und einfühlsame Lehrer gefragt, die gemeinsam mit Tätern, Opfern und der beteiligten Schulklasse den anhaltenden Konflikt lösen, zum Beispiel mit dem "No Blame Approach". Auch Psychologen können im Ernstfall helfen. Eine liebevolle Erziehung mit klaren Regeln und Strukturen ist Voraussetzung, sodass Kinder weder zu Tätern noch zu Opfern werden.
Nicht immer läuft der Schulalltag ruhig und friedlich ab, manchmal kommt es zu Streit und Raufereien. Doch um wirklich von Mobbing reden zu können, müssen folgende 4 Punkte zutreffen:
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Körperlich oder verbal aggressives Verhalten tritt auf.
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Das Verhalten ist gezielt gegen eine Person gerichtet.
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Es handelt sich um ein Gruppengeschehen, in das noch weitere Schüler aus dem Klassen- oder Schulverband verwickelt sind – u.a. auch dadurch, dass sie wegschauen, anstatt dem Gemobbten zu helfen.
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Das aggressive Verhalten tritt wiederholt und über einen längeren Zeitraum – von einigen Wochen bis hin zu Jahren – auf.
Auch der Begriff Bullying wird oft verwendet – er bezieht sich vor allem auf Attacken, bei denen wiederkehrende körperliche Gewalt im Vordergrund steht.
Opfer von Mobbing erzählen aus Angst oft nicht gleich von ihren Problemen an der Schule und erfinden Ausreden, um die Täter zu decken. Folgende Veränderungen bzw. Symptome bei Ihrem Kind deuten auf Mobbing hin:
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Körperliche Symptome wie Kopf- und Bauchschmerzen, Erbrechen, Schlafstörungen
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Kind will nicht in die Schule gehen oder will dorthin begleitet werden
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Kind zieht sich zurück, weint vermehrt
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Kind verliert häufig Geld oder Eigentum
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Beschädigtes Eigentum
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Konzentrationsschwierigkeiten und Leistungsabfall
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Verletzungen und blaue Flecken
Die Folgen von Mobbing sind für die betroffenen Kinder schwerwiegend. Ihr Selbstbewusstsein wird zerstört, Zwangs- und Angststörungen, Panikattacken, Depressionen und Selbstmordgedanken können sich ausbilden.
Um normale kindliche Konflikte von Mobbing unterscheiden zu können, sind folgende Kriterien hilfreich:
"NORMALE" KONFLIKTE | MOBBING |
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Die Machtverhältnisse zwischen den Kindern sind ausgeglichen. | Ein Kind verfügt über mehr Macht, z.B. Stärke, Alter, Beliebtheit. |
Der Konflikt ist ungeplant. | Die stärkere Seite hat sich einen Plan zurechtgelegt, wie sie vorgehen will. |
Die Beteiligung am Konflikt erfolgt zufällig. | Beteiligte Kinder werden gezielt vom Angreifer ausgewählt. |
Konflikte entstehen nur unregelmäßig. | Mobbing tritt wiederholt und regelmäßig auf. |
Die Folgen sind zumeist nicht schlimm. | Ernsthafte Verletzungen sind möglich. |
Die Beteiligten zeigen bei Verletzungen emotionale Betroffenheit. | Die Angreifer zeigen zumeist kein Bedauern bei Verletzungen. |
Konflikte entstehen aufgrund von aktuellen Gefühlen. | Mobbing entsteht, damit der Angreifer sich auf Kosten des Opfers aufwerten kann. |
Zum Opfer werden meist ruhigere, schüchterne Kinder mit niedrigem Selbstwertgefühl oder die aus dem Klassenverband hervorstechen, z.B. durch gute Noten. Neueren Erkenntnissen zufolge sind aber nicht nur Kinder, die sowieso am Rande der Klassengemeinschaft stehen, mobbinggefährdet. Auch Kinder, die zentrale Positionen innehaben, können von Neidern gemobbt werden – erst wenn die Spitze der Beliebtheit erreicht ist, sind Kinder vor Mobbing relativ sicher. Zudem zieht sich Mobbing oft durch die Familiengeschichte. Kinder, deren Eltern in der Schulzeit gemobbt wurden, haben ein doppelt so hohes Risiko, selbst Mobbing-Opfer zu werden, als andere Kinder.
Wenn ein Kind zum Täter wird, geht es oft gerade durch eine Krise. Täter zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine geringere Toleranz gegenüber frustrierenden Erlebnissen haben und Impulse schlechter kontrollieren können. Manche von ihnen haben starke Vorurteile sowie ein Schwarz-Weiß-Denken von den Eltern in der Erziehung mitbekommen. Aber auch die Art, wie ein Lehrer die Klasse führt, kann ansonsten unauffällige Kinder zu Tätern werden lassen: Wenn es in der Klasse keine klaren Strukturen gibt und Probleme nicht angesprochen werden, wird Mobbing wahrscheinlicher.
Dass Eltern und Lehrer bei Mobbing-Fällen zusammenarbeiten, ist ausgesprochen wichtig. Das Mobbing-Opfer sollte nie das Gefühl haben, alleine dazustehen, vielmehr muss es die Erfahrung machen, dass Erwachsene ihm helfen und seine Probleme ernst genommen werden.
Ein Lösungsansatz für langanhaltende schulische Konflikte, bei dem das Lehrpersonal eine tragende Rolle spielt, ist der "No Blame Approach". Dabei geht es darum, nicht den oder die Täter an den Pranger zu stellen, sondern Täter, Opfer und die Personen aus der Klassengemeinschaft, die zusehen, wegsehen oder Mitläufer sind, in die Konfliktlösung einzubeziehen. Der Klassenlehrer organisiert dabei Gespräche und baut einen Kreis von Helfern um das gemobbte Kind auf, die mit Ideen und Handlungen das Kind wieder in die Klassengemeinschaft miteinbeziehen.
Einen Psychologen sollten Sie dann hinzuziehen, wenn Sie sich von der Situation überfordert fühlen. Der Psychologe kann bei der Vermittlung zwischen Ihnen und der Schule behilflich sein und dem Kind dabei helfen, sein angeschlagenes Selbstvertrauen wieder aufzubauen. Das Kind soll neue Handlungsmöglichkeiten finden, wenn es gemobbt wird – dabei achtet der Psychologe darauf, dass diese auch kindgerecht sind. Außerdem können gemeinsam mit dem Psychologen neue Hobbys gesucht werden, bei denen das Kind Raum hat, wieder aufzublühen.
Gerade bei Eltern, die selbst einmal zum Mobbing-Opfer wurden, können alte Traumata hochkommen, wenn das eigene Kind gemobbt wird. Scheuen Sie sich nicht, sich gemeinsam mit Ihrem Kind psychologisch beraten zu lassen, wenn Sie Hilfe bei der Bewältigung benötigen.
Als Eltern und Lehrer können Sie viel tun, um Mobbing vorzubeugen. Das beginnt schon bei der Erziehung:
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Liebevolle Unterstützung: Pflegen Sie einen autoritativen Erziehungsstil, bei dem Sie Ihr Kind altersgemäß fördern und liebevoll unterstützen, aber klare Regeln und Strukturen im Alltag festlegen. Seien Sie der Coach Ihres Kindes, verhelfen Sie ihm zu Erfolgserlebnissen, indem Sie Aufgaben und Regeln so wählen, dass sie von Ihrem Kind auch gelöst und eingehalten werden können. Ein selbstbewusstes Kind hat es weder nötig, zu mobben, auch wird es weniger leicht zum Opfer, da es mutig genug ist, "Nein" zu sagen, wenn ihm jemand zu nahe kommt.
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Vorbildwirkung der Eltern: Denken Sie auch daran, dass Sie ein Vorbild für das Kind sind – wenn Sie fluchen, körperliche Gewalt anwenden und über andere schimpfen und sich nicht in diese hineinversetzen können, wird Ihr Kind nur schwer lernen, sich in Konfliktsituationen kompromissbereit zu verhalten. Auch wenn Ihr Kind gefährdet ist, zum Täter zu werden – z.B. durch ein lebhafteres Temperament, ADHS, hohe Aggressivität, geringes Einfühlungsvermögen – können Sie ihm spielerisch dabei helfen, seine Impulskontrolle zu verbessern und leichter mit Frustration und Ärger umzugehen.
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Prävention vonseiten der Schule: Auch Schule und Lehrer können viel gegen Mobbing tun. Ein guter Zusammenhalt zwischen den Lehrern untereinander und eine gut geführte Schule tragen zum Schutz der Schüler vor Mobbing bei. Präventionsmaßnahmen wie Info-Tage und Workshops, sowie Verhaltensverträge mit den Schülern sind außerdem ratsam. Auch die Aufmerksamkeit der Lehrer ist gefragt und der Wille, kritische Situationen – ob während der Stunde oder in der Pause – anzusprechen und den Kindern alternative Lösungswege aufzuzeigen.
- Interview mit Mag. Sandra E. Velásquez Montiel-Probst, Klinische und Gesundheitspsychologin Kinder-, Jugend- & Familienpsychologin
- Mutig gegen Mobbing in Kindergarten und Schule, F. D. Alsaker, Verlag Hans Huber, Bern, 2012
- D. Olweus, In: Jugendhilfe und Schule - Handbuch für eine gelingende Kooperation, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2. Auflage, Wiesbaden, 2009, S. 246-266.
- R. Faris, D. Felmlee: Casualties of Social Combat: School Networks of Peer Victimization and Their Consequences, In: American Sociological Review 2014, 79, S. 228-257.
- S. Allison, L. Roeger, B. Smith, L. Isherwood: Family histories of school bullying: implications for parent-child psychotherapy, In: Australasian Psychiatry 2014, 22, S. 149-153.