Querschnittslähmung (Paraplegie, Tetraplegie)

Junge Frau mit Querschnittslähmung sitzt im Rollstuhl
Die häufigsten Ursachen einer Querschnittslähmung sind Unfälle mit Verletzungen der Wirbelsäule.
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Eine Querschnittslähmung wird in den meisten Fällen unfallbedingt durch eine akute Schädigung des Rückenmarks nach einer Wirbelsäulenverletzung hervorgerufen.

Medizinische Expertise

Rosi Lederer

Dr.in Rosi Lederer

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Nervenfasern werden dadurch unterbrochen, Nervenzellen am Ort der Verletzung sowie in der Umgebung zerstört. Die genauen Auswirkungen auf die Gesundheit und Motorik hängen vom Grad der Rückenmarksquetschung und der Beeinträchtigung der Nervenbahnen sowie von der konkreten Verletzungsstelle ab. Eine Querschnittslähmung bedeutet nämlich nicht nur, dass Betroffene ihre Beine und / oder Arme nicht mehr bewegen können, sondern bringt in der Regel weitere gesundheitliche Komplikationen und Einschränkungen im täglichen Leben mit sich – u.a. Beeinträchtigungen des Magen-Darm-Traktes, der Blasen- und Sexualfunktion sowie der Herzfrequenz und des Blutdrucks.

  • Der mit Abstand häufigste Auslöser einer Querschnittslähmung sind Unfälle mit Wirbelsäulenverletzungen.
  • Das Leitsymptom ist, dass Betroffene die Beine – und eventuell auch Arme – nicht mehr bewegen können. Je nach Grad und genauer Lokalisierung der Rückenmarksquetschung treten zusätzliche Beschwerden bzw. Einschränkungen unter anderem im Bereich der Verdauung und der Sexualität auf.
  • Stellt der behandelnde Arzt nach einem Unfall die Diagnose Querschnittslähmung wird die Wirbelsäule operativ stabilisiert.
  • An möglichen Heilungsmethoden wird gearbeitet. Ansätze gibt es etwa in der Stammzell-Forschung sowie im Anregen des Nervenfaserwachstums.

Eine Querschnittslähmung kann jeden Menschen treffen, unabhängig von Alter oder Gesundheitszustand. Sie ist die wohl dramatischste Folge eines Unfalls – weltweit sind mindestens 2,7 Millionen Menschen betroffen, jedes Jahr kommen 130.000 neue Fälle hinzu. In Österreich sind zirka 50.000 Menschen auf einen Rollstuhl angewiesen, etwa 4.000 davon aufgrund einer Querschnittslähmung. Die Geschlechterverteilung schwankt über die Jahre zwar, die Männer sind aber mit 68 % deutlich in der Überzahl (Frauen: 32 %). Der Grund laut Experten: Männer leben insgesamt gefährlicher und riskieren mehr als Frauen.

Die häufigsten Ursachen einer Querschnittslähmung sind Unfälle mit traumatischen Krafteinwirkungen auf die Wirbelsäule. Aber auch Krankheiten des Rückenmarks oder der umgebenden Strukturen können zu einer Störung bzw. Lähmung führen. Solch krankheitsbedingten Querschnittslähmungen haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Die häufigsten Ursachen dafür sind Gefäßerkrankungen und Durchblutungsstörungen (zirka 30 %), Tumoren (zirka 20 %), gefolgt von Skelettdegeneration, Infektionen, und anderen Erkrankungen wie z.B. Multiple Sklerose (MS).

Laut Statistik ist etwa jede zweite unfallbedingte Querschnittslähmung auf einen Verkehrsunfall zurückzuführen, 24 % auf einen Sturz, 6 % auf eine sportliche Tätigkeit und 3 % auf Extremsport.

Die Querschnittslähmung tritt immer aufgrund einer vollständigen oder teilweisen Schädigung des Rückenmark-Querschnittes ein (daher auch der Name) und führt zur Verletzung der durchziehenden Nervenbahnen im Rückenmark: So zieht die Schädigung der absteigenden Nervenfasern, die motorische Signale vom Gehirn an Rumpf und Beine bzw. Arme übertragen, eine Muskellähmung nach sich. Die Schädigung der aufsteigenden Nervenfasern, die die sensorische Informationen von der Körperperipherie (z.B. Arme und Beine) zu Gehirn leiten, führt zum Verlust des Gefühlempfindens (kalt / warm, Schmerz etc.).

Das Ausmaß der Behinderung bei einer Querschnittslähmung ist abhängig von der Schwere der Verletzung und der Lage des betroffenen Rückenmarksabschnitts. Man unterscheidet komplette und inkomplette Querschnittslähmung. Fallen alle Funktionen unterhalb der Verletzungsstelle aus, spricht man von einer kompletten Querschnittslähmung, sind jedoch Funktionen teilweise erhalten, von einer inkompletten Querschnittslähmung.

Grundsätzlich gilt: Je höher das Wirbel- bzw. Rückenmarkstrauma, desto schlimmer das Ausmaß der Lähmung und die damit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Basierend auf der Höhe der Rückenmarksverletzung unterscheidet man grundsätzlich zwei Gruppen:

  • Paraplegie: eine Verletzung in Höhe des Brust oder Lendenmarks hat eine Lähmung bzw. Funktionsstörung der Rumpfmuskulatur und der unteren Gliedmaßen, sowie auch den Verlust von Empfindungen wie Berührung, Druck, Schmerz und Temperatur zur Folge. Außerdem sind Darm-, Blasen- auch die Sexualfunktion gestört.
  • Tetraplegie: bei einer Schädigung des Halsmarks sind zusätzlich auch noch die oberen Gliedmaßen, also die Armmuskulatur, betroffen. Eine Schädigung im oberen Teil der Halswirbelsäule und des Rückenmarks führt zusätzlich zu Verminderung der Atmungsfähigkeit.

Die Paraplegie ist etwas häufiger als die Tetraplegie.

Neben der motorischen und sensorischen Funktionsstörungen kommt es bei einer Rückenmarksverletzung auch zu einer Störung des autonomen Nervensystems, das für die unwillkürliche Steuerung der meisten inneren Organe und des Blutkreislaufs verantwortlich ist. Dies äußert sich in der Beeinträchtigung der Magen- und Darmtätigkeit, der Temperaturregulation und der Regulation des Blutdrucks und der Herzfrequenz.

So kann es bei Betroffenen zu einer verminderten Anpassung der Herzfrequenz an die körperliche Leistung kommen, was die individuelle Leistungsfähigkeit deutlich mindert. Infolge der gestörten Regulation der Magen-Darmtätigkeit sind häufig Abführmittel notwendig oder die die Stuhlentleerung muss durch manuelle Reizung angeregt werden. Auch die Blasen- und Sexualfunktionen sind betroffen, querschnittsverletzte Patienten haben häufig auch keine Kontrolle über die Blase und die Entleerung der Blase muss dann durch Katheterisierung vorgenommen werden.

Weitere Komplikationen, die bei einer Querschnittslähmung auftreten können, sind die Anfälligkeit für Infektionen (Blase, Lunge), Druckgeschwüre und langfristig eine Osteoporose (Knochenschwund), also vielfältige Komplikationen, die das tägliche Leben beeinträchtigen.

Nach einem Unfall mit Verdacht auf Querschnittslähmung werden Betroffene sofort in eine Klinik gebracht. Bestätigt sich die Diagnose, erfolgt, wenn notwendig, ein operativer Eingriff, um das eingeklemmte Rückenmark zu entlasten und die Wirbelsäule in einer guten Stellung zu fixieren, die Stabilität der Wirbelsäule stellt eine Voraussetzung für die Rehabilitation dar. Im Falle offener Wirbelsäulen- und Rückenmarksverletzungen müssen diese chirurgisch geschlossen werden. Bisher gibt es leider noch keine Methode die durch Zerreißung oder Quetschung geschädigten Nervenfasern des Rückenmarks wieder zu reparieren.

In jedem Fall wird eine fachneurologische Untersuchung (samt Messung der Nerven- und Muskelfunktion) vorgenommen und eine intensive Behandlung eingeleitet.

Diese Behandlung fokussiert darauf, die Körperfunktionen des Patienten, wie Kreislauf, Atmung, Temperatur zu stabilisieren und Schmerzen zu lindern. Speziell wird auch darauf geachtet, unmittelbare Folgeerkrankungen zu vermeiden oder zu therapieren – u.a. Kreislaufinstabilität und Thrombosen, Lungenentzündung, Harnwegsinfekte, Darmverschluss, Druckgeschwüre und Gelenksversteifungen.

Ein Ziel der Versorgung in der Akutphase ist die Gewebeschädigung zu minimieren, um somit möglichst viele Körperfunktionen zu erhalten, damit später wieder eine höchstmögliche Mobilität von Rumpf, Extremitäten und Kopf (je nach Art der Querschnittlähmung) erreicht werden kann. In den vielen Fällen ist auch eine psychotherapeutische Behandlung (z.B. bei Depression, Suizidgefahr etc.) oder eine psychologische Unterstützung notwendig.

Diesen akuten Maßnahmen schließt sich eine intensive Rehabilitationsbehandlung an. Diese ist entscheidend für die Wiedergewinnung von Funktionen und stellt momentan, neben der Akutversorgung, die wichtigste Therapiemaßnahme dar. Die meist monate- oder gar jahrelange Rehabilitationsbehandlung zielt darauf ab, möglichst viele Funktionen sowie die Selbständigkeit aufrecht zu erhalten oder zurück zu gewinnen.

Leider gibt es derzeit noch keine Therapie, die zu einer vollständigen Genesung und Wiedererlangung der Funktionen führt. Dennoch sind internationale Forscher zuversichtlich, in Zukunft Methoden zu entwickeln, mit denen es möglich wird verletzte Nervenzellen im Rückenmark zu regenerieren und so die Patienten zu heilen oder zumindest teilweise wieder mobil zu machen.

Beispiele für Forschungsansätze sind:

  • Minimierung von Folgeschäden: Geforscht wird an Wirkstoffen (wie z.B. Minocyclin), welche insbesondere die häufigen sekundären Gewebeschäden verringern sollen, um dem Betroffenen dadurch mehr Funktionen zu erhalten.
  • Wachstumshemmer ausschalten: Nach einer Verletzung des Rückenmarks schränken verschiedene Zelltrümmer im Gewebe die Regeneration von Nerven stark ein, indem sie wie eine Art "Stoppschild" agieren (z.B. das Protein Nogo). Forscher versuchen nun spezielle Wirkstoffe (Antikörper) zu entwickeln, die diese Art Stoppschilder blockieren und so wieder funktionelle Verbesserungen ermöglichen.
  • Nervenfaserwachstum anregen: Da ausgewachsene Zellen im zentralen Nervensystem kaum noch selbstständig regenerieren, will man mit Hilfe spezieller "Schalter", innerhalb der Nervenzelle, nun ihre Regenerationsfähigkeit anregen.
  • Stammzell-Forschung: Große Hoffnungen werden in Therapien mit Stammzellen gesetzt, da diese grundsätzlich in der Lage sind, Gewebegerüste zu bilden, Wachstumsfaktoren freizusetzen, neue Schaltkreise zu bilden und so nicht zuletzt auch die Wiederherstellung von Nervenfasern zu fördern. Noch werden aber Fragen zur Wirkungsweise, Sicherheit und Verträglichkeit von einer Stammzell- Transplantation ins verletzte Rückenmark erforscht und in Studien untersucht.

Bei Querschnittslähmungen, die nicht auf einen Unfall zurückzuführen sind, sondern durch eine Erkrankung drohen, gilt: Beim Auftreten von Muskelschwäche, Gefühlsstörungen oder Schwierigkeiten beim Gehen sollte man einen Neurologen aufsuchen, um die genaue Ursache abzuklären. Symptome dieser Art können auf diverse neurologische Erkrankungen hinweisen, unter anderem auch auf Rückenmarkserkrankungen.


Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

17. August 2020

Erstellt am:

16. Februar 2015

Stand der medizinischen Information:

17. August 2020


ICD-Code:
  • G82

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