Kinder: Häufige Unfälle

Papa tröstet sein Kind, das einen Radunfall hatte
Mit kleineren Wehwehwechen wissen die meisten Eltern umzugehen – aber was tun, wenn es einmal richtig kracht?
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Zuletzt aktualisiert am 20. Oktober 2020 Erfahren Sie in diesem Artikel, wie Sie Kindern helfen können: Bei Stürzen, Vergiftungen, Verätzungen, Verbrühungen, Verbrennungen und Verkehrsunfällen sowie wenn das Kind in Gefahr ist zu ersticken oder zu ertrinken.

Medizinische Expertise

Romana Kandioler

Mag. Romana Kandioler

Spezialistin für den Fachbereich Erste Hilfe und Sanitätshilfe beim Wiener Roten Kreuz
www.roteskreuz.at
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"Rummms!" macht es, und schon fließen die ersten Tränen. Oft ist es nicht leicht zu sagen, ob das Kind vor Schreck weint und schreit, oder weil es Schmerzen hat. Dabei gilt: Verfallen Sie nicht gleich in Panik und überlegen Sie, wie Sie Ihrem Kind unter Einsatz Ihres Hausverstandes helfen können. Wenn Sie nicht mehr weiterwissen, lassen Sie sich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Rettung (144) oder des Ärztefunkdienstes (141) beraten. "Oft ist es in erster Linie der Schreck, der Kinder weinen lässt. Um herauszufinden, ob Sie es mit einem Erschrecken oder wirklich mit Schmerzen zu tun haben, lenken Sie das Kind ab. Das geht mit ganz einfachen Mitteln: Bei kleineren Kindern genügt die Aufforderung einen (unverletzten) Körperteil zu bewegen, bei größeren Kindern kann es die Erinnerung an einen früheren, glimpflichen Unfall sein", rät Romana Kandioler, Spezialistin für den Fachbereich Erste Hilfe und Sanitätshilfe beim Wiener Roten Kreuz.

Eine Untersuchung in Deutschland hat gezeigt, dass pro Jahr rund 16 % der dort lebenden Kinder in einen Unfall verwickelt und deshalb ärztlich behandelt werden. Die häufigsten Unfallarten sind:

0 – 6 Monate

  • Stürze
  • Ersticken

7 Monate bis 5 Jahre

  • Stürze
  • Vergiftungen / Verätzungen
  • Verbrühungen / Verbrennungen
  • Ertrinken

Ab 5 Jahren

  • Stürze und Zusammenstöße
  • Verkehrsunfälle

Stürze können durch Stolpern oder Herunterfallen (z.B. vom Wickeltisch oder vom Sessel) passieren. Besonders gefährlich für Kinder sind Stürze dann, wenn sie sich den Kopf anschlagen – denn dann sind auch Gehirnerschütterungen und Schädelbrüche nicht ausgeschlossen. Wenn es zu einem besonders heftigen Zusammenstoß oder Aufprall mit dem Kopf gekommen ist, rufen Sie die Rettung (144).

Knochen- und Gelenkverletzungen

Prellungen und Verstauchungen passieren beim Herumtollen und Spielen schnell einmal. Ohne Röntgengerät lässt sich nicht sagen, ob ein Knochen gebrochen ist. Im Zweifelsfall sollte man daher immer von einem Knochenbruch ausgehen und den betroffenen Körperteil dementsprechend schonen, wobei laut Kandioler "die Chancen, dass wirklich nichts gebrochen ist, gerade im Kindesalter sehr hoch sind." Die Erste-Hilfe-Tipps bei Verdacht auf gebrochene oder geprellte Knochen und verstauchte Gelenke sind folgende:

  • Das Kind soll sich so hinsetzen oder -legen, dass es möglichst wenig Schmerzen hat. Wenn das Bein verletzt ist, darf es nicht mehr aufstehen oder das Bein belasten.
  • Wenn es sich um einen offenen Bruch handelt, soll die Wunde mit keimfreier Wundauflage und einem Verband so verbunden werden, dass kein Druck auf die Wunde ausgeübt wird.
  • Schwillt die betroffene Stelle an, soll sie gekühlt werden.
  • Rufen Sie den Notruf oder suchen Sie einen Arzt oder eine Ärztin auf, wenn die Schmerzen sehr stark sind oder Bewegungen nicht mehr möglich sind.
  • Öffnen Sie beengende Kleidungsstücke.
  • Wenn der Arm betroffen ist, können Sie diesen mithilfe eines Dreieckstuches ruhigstellen.

Blutungen

Wichtige Schritte zur Stillung von Blutungen sind:

  • Das Kind soll selbst fest auf die Wunde drücken, während Sie das Verbandszeug holen.
  • Drücken Sie eine keimfreie Wundauflage fest auf die Wunde.
  • Wenn die Wunde stark blutet, rufen Sie den Notruf 144.
  • Wickeln Sie eine elastische Binde ein Mal über die Wundauflage.
  • Dann legen Sie ausgepackte Mullbinden oder ein gefaltetes Dreieckstuch darüber und verwenden diese als Druckkörper.
  • Vollenden Sie den Druckverband, indem Sie die elastische Binde fest um den verletzten Körperteil wickeln.
  • Der blutende Körperteil soll möglichst hoch gelagert werden.

Wunden, die verunreinigt sind, sollten außerdem mit klarem Wasser gespült werden. Wenn nicht sicher ist, ob ein Tetanus-Impfschutz besteht, bei Augenverletzungen, Wunden im Kopf- und Rumpfbereich oder wenn Fremdkörper in der Wunde stecken (diese sollen nicht herausgezogen werden!) muss ein Arzt, eine Ärztin oder das Krankenhaus aufgesucht werden.

Allzu rasch kann es passieren, dass kleine – oder auch größere – Kinder etwas "in den falschen Hals" bekommen. Wenn sie den Gegenstand oder den Essensrest nicht von selbst wieder heraufhusten können, müssen Sie folgende Schritte einleiten:

  • Wenn das Kind aufgrund der Verlegung der Atemwege nicht sprechen kann, rufen Sie sofort den Notruf.
    Das Kind soll seinen Oberkörper weit nach vorne beugen.
  • Schlagen Sie dann mit der flachen Hand fest zwischen die Schulterblätter.
  • Säuglinge werden über den Unterarm gelegt.
  • Wenn der Gegenstand sich nicht gelöst hat, müssen 5 Kompressionen des Oberbauchs – jedoch nur bei Kindern, die älter als 1 Jahr sind! – abwechselnd mit 5 Schlägen zwischen die Schulterblätter durchgeführt werden. Bei Säuglingen wird statt des Oberbauchs der Brustkorb wie bei einer Herzdruckmassage zusammengepresst.

"Aber Achtung! Auch wenn es gelingt den Fremdkörper durch die Oberbauchkompressionen herauszuschleudern und das Kind wieder Luft bekommt, ist unbedingt ein Krankenhaus aufzusuchen. Im Oberbauch befinden sich sehr viele lebenswichtige Organe wie Magen, Leber und Milz, die verletzt worden sein könnten. Auch Rippenbrüche sind möglich", warnt Kandioler.

"Haben Sie Gift zu Hause? Ohne Ihren Haushalt zu kennen, behaupte ich: 'Ja, haben Sie!'", meint Kandioler. "Es gibt mit Sicherheit gesundheitsschädliche Substanzen, die Kinder dazu animieren könnten, sie zu trinken oder zu essen. Das sind vor allem Dinge wie Spülmittel, Badreiniger, Waschmittel, Lampenöle, Medikamente und vielleicht auch Zigaretten und Alkohol."

Das ist zu tun:

  • Wenn das Kind ansprechbar, also bei Bewusstsein ist, fragen Sie es, was es geschluckt hat bzw. womit seine Haut in Berührung gekommen ist.
  • Wenn eine ätzende Substanz ins Auge geraten ist, spülen Sie dieses gut unter klarem, fließendem Wasser aus.
  • Rufen Sie die Vergiftungsinformationszentrale (VIZ) für das weitere Vorgehen an (01 / 406 43 43) und rufen Sie die Rettung. Die Mitarbeiter der VIZ werden Sie nach Art und Menge der aufgenommenen Substanz fragen, sowie nach dem Alter und Gewicht der vergifteten Person.
  • Versuchen Sie nicht, das Kind zum Erbrechen zu bringen oder ihm Flüssigkeit zuzuführen – das kann gefährliche Folgen haben!

Wenn ein Kind einen heißen Gegenstand anfasst oder auf die heiße Herdplatte greift, kommt es zu Verbrennungen. Verbrühungen entstehen, wenn das Kind in Kontakt mit heißen Dämpfen oder Flüssigkeiten kommt. "Ein heißer Ofen ist gefährlich, heißer Dampf ist ebenfalls gefährlich. Verbrennungen und Verbrühungen sind sehr schmerzhaft und verursachen bei entsprechender Größe auch hässliche Narben", erklärt Kandioler.

So gehen Sie vor:

  • Sehr kleine Verbrennungen und Verbrühungen (z.B. am Finger) sollen bis zu 10 Minuten mit handkaltem Wasser gekühlt werden. Bei großflächigen Schädigungen der Haut ist das Kühlen eher kontraproduktiv, da das Kind dann zu sehr auskühlt.
  • Bedecken Sie die Wunde mit einer keimfreien Wundauflage, am besten mit einer, die mit Metall- oder Kunststofffolie beschichtet ist. Das verhindert ein Verkleben mit der Wunde.
  • Machen Sie einen ganz lockeren Verband.
  • Decken Sie das Kind zu, damit die Körperwärme erhalten bleibt.

Wenn die Verbrühung oder Verbrennung 10 % der Körperoberfläche beträgt (also etwa 10 Kinderhände groß ist), bzw. bei einem Säugling 5 % (also so groß wie 5 Hände des Säuglings nebeneinander), muss das Kind ins Krankenhaus gebracht werden.

Bei Badeunfällen mit Kindern ist rasches Handeln angesagt – denn das Ertrinken ist eine häufige Todesursache bei Kindern, vor allem bei jenen unter 5 Jahren. Folgen Sie diesem Ablauf:

  • Bringen Sie das Kind auf trockenen Boden, wenn Sie Ihre Sicherheit dabei nicht selbst gefährden oder rufen Sie um Hilfe.
  • Prüfen Sie durch Ansprechen und Berühren, ob das Kind bei Bewusstsein ist.
  • Sollte es nicht darauf reagieren, rufen Sie andere Personen zu Hilfe, damit diese einen Notruf absetzen können.
  • Wenn das Kind atmet, können Sie es in die stabile Seitenlage bringen und die Atmung weiterhin regelmäßig kontrollieren.
  • Wenn das Kind jedoch nicht mehr atmet, müssen Sie mit der Reanimation beginnen – bei Kindern bedeutet das: 30 Herzdruckmassagen, 2 Beatmungen.
  • Fahren Sie solange damit fort, bis die Atmung des Kindes wieder einsetzt oder der Rettungswagen eintrifft.

Während bei 1- bis 6-Jährigen Unfälle am häufigsten zuhause passieren, verlagert sich das Unfallgeschehen ab dem Schulalter nach draußen: Sport- und Freizeitunfälle sowie Verkehrsunfälle werden dann häufiger. Da durch Letztere schwere Verletzungen entstehen können, ist Vorbeugung besonders wichtig: Ein passender Kindersitz und das Anschnallen im Auto, sowie das Tragen eines Helms beim Radfahren sind ein Muss. Denn: "Personen, die im Auto hinten sitzen und nicht angeschnallt sind, werden bei einem Auffahrunfall nach vorne geschleudert und herumgewirbelt", so Kandioler. Wenn es zu einem Unfall auf der Straße kommt, bei dem Kinder involviert sind, ist das Vorgehen nicht anders als bei der Erstversorgung von Erwachsenen:

  • Sichern Sie Ihr eigenes Fahrzeug ab: Auf den Pannenstreifen fahren, Warnblinkanlage einschalten, Warnweste anziehen und Warndreieck aufstellen.
  • Sobald Sie sich einen Überblick über die Situation verschafft haben, rufen Sie den Notruf.
  • Wenn sich Personen auf der Fahrbahn befinden, überkreuzen Sie deren Handgelenke über dem Kopf und ziehen Sie diese von der Fahrbahn. Der Kopf soll dabei nicht am Boden schleifen, das Wegziehen ist sowohl in Bauch- als auch in Rückenlage möglich.
  • Wenn eine Person noch im Auto sitzt und das Bewusstsein verloren hat, ziehen Sie es mit dem Rautek-Griff aus dem Fahrzeug. Dazu greifen Sie der betroffenen Person von hinten unter den Achseln hindurch. Winkeln Sie einen Arm der Person an und umfassen Sie den Unterarm. Ziehen Sie sie dann auf Ihren Oberschenkel. Dieser Griff funktioniert auch bei Personen gut, die schwerer sind als Sie selbst.
  • Versorgen Sie Brüche und Blutungen entsprechend.
  • Vergessen Sie nicht, einem betroffenen Kind aktiv zuzuhören und ihm zu sagen, dass bald Hilfe kommt und Sie sich um das Kind kümmern, bis die Rettung eintrifft.

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