Vielfach aber sendet der Körper deutliche Signale: Infolge der hormonellen Umstellung können Beschwerden wie Hitzewallungen, Schlaflosigkeit und depressive Verstimmungen auftreten – müssen aber nicht. Diese Veränderungen können auch Auswirkungen auf die Partnerschaft, die Sexualität oder den Job haben. Andere werden beim Gedanken wehmütig, keine Kinder mehr zu bekommen. Doch dieser neue Lebensabschnitt hat auch einiges zu bieten: mit neuen Perspektiven und vielen schönen Aufgaben.
Frauen erleben den Eintritt in die Wechseljahre in mehreren Phasen. Zunächst kommt es zu Unregelmäßigkeiten im Zyklus. Typische Begleitsymptome sind vielleicht Hitzewallungen, Schlafstörungen oder Stimmungsschwankungen. Das ist normal, denn im Körper gehen eine Reihe von Veränderungsprozessen vor sich, die diese Symptome verursachen können. Die Hormonproduktion in den Eierstöcken verringert sich, die Östrogenbildung nimmt ab. All diese Vorgänge steuert die Hirnanhangsdrüse im Gehirn (Hypophyse).
Gegen den biologischen Mechanismus kann man wenig tun, andererseits ist es auch ein Teil der Kultur, wie frau den Wechseljahren begegnet, wie Mag.a Sylvia Groth, Expertin für Frauengesundheit und Geschäftsführerin des Vereins Frauengesundheitszentrum in Graz, im folgenden Interview erklärt:
Mag.a Sylvia Groth: Frauen erleben die Wechseljahre unterschiedlich. Dies zeigen Studien, die Frauen in verschiedenen Ländern vergleichen. So berichten deutsche und österreichische Frauen im Vergleich zur weiblichen Bevölkerung in China über stärkere Beschwerden. Auch fühlen sich Frauen, die nicht erwerbstätig sind, statistisch gesehen in den Wechseljahren eher unwohler als erwerbstätige Frauen.
Die großen Unterschiede, die zwischen Frauen bestehen, zeigen, dass die Beschwerden nicht rein biologisch gegeben sind, sondern stark von dem abhängen, wie Frauen diese Lebensphase gesellschaftlich bewerten und wie ihre Lebenssituation ist. Allerdings, für mein eigenes Erleben und Bewältigen hat das natürlich wenig konkrete Bedeutung.
Mag.a Sylvia Groth: Ganz generell kann man sagen, dass Unterstützung von Familie und Freundinnen in jeder Lebensphase hilfreich ist. Das hat jede von uns immer wieder erlebt. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Zeit der Wechseljahre.
Mag.a. Sylvia Groth: In den Wechseljahren zu sein heißt tatsächlich älter zu werden. Zugleich haben viele im Durchschnitt noch weitere 30 Lebensjahre vor sich. Im Vergleich zu anderen Kulturen wird die älter werdende Frau in den deutschsprachigen Ländern abgewertet. Wichtig erscheint mir, eine realistische Sicht des Alters zu fördern – auch in den Medien.
Das Älterwerden ist eine Selbstverständlichkeit des Menschseins. Dennoch fällt es den meisten schwer, dies zu akzeptieren. Viele sind geradezu verwundert. Denn als junge Frau oder junger Mann kann man sich das Älterwerden nur schwer vorstellen. Mit realistisch meine ich, dass die unterschiedlichen Aspekte des Älterwerdens angesprochen werden. Es gibt sehr positive Aspekte, wie größere Erfahrung, bei vielen auch Gelassenheit. Aber auch die Tatsache, dass mit dem Älterwerden Einschränkungen und Erkrankungen auftreten. Und dann die Frage der finanziellen Absicherung im Alter, gerade für Frauen. Denn nur 8 % der alten Frauen und Männer machen Kreuzfahrten...
Mag.a Sylvia Groth: Ungefähr ein Drittel der Frauen hat keine Beschwerden. Ein Drittel der Frauen merkt Veränderungen, kann aber gut damit umgehen. Ein Drittel der Frauen erlebt den Wechsel als eine sehr schwierige Lebensphase. Denn neben körperlichen Veränderungen kann es ja auch zu Veränderungen in der Familie oder mit der Arbeit kommen. Auch seelische Probleme schildern Frauen in diesen Lebensjahren.
Ob eine Frau Beschwerden haben wird, ist nicht vorhersagbar. Sie sind auch unabhängig von ihren tatsächlichen Hormonwerten. Denn Beschwerden ergeben sich weniger daraus, dass eine Frau weniger Östrogene bildet. Das ist bei allen so und verursacht als solches keine Beschwerden. Das zeigen ja die großen Unterschiede zwischen Frauen.
Mag.a Sylvia Groth: Seit mehr als 30 Jahren berate ich Frauen, die sich an das Frauengesundheitszentrum bei der Suche nach Informationen oder mit Beschwerden wenden. Ich würde sagen: Es ist weder ein Verdienst, keine Beschwerden zu haben, noch ein Versagen, welche zu haben.
Mag.a Sylvia Groth: Im Wechsel ändert sich unter anderem die Menge der vom eigenen Körper gebildeten Sexualhormone wie Östrogene und Gestagene. Ein niedriger werdendes Niveau an Östrogen ist für Frauen normal. Weites bildet der Körper kein Gestagen, wenn kein Eisprung mehr stattfindet. Physiologisch gesehen, also vom natürlichen Ablauf her, ist es nicht nötig, Hormone durch Medikamente zuzuführen. Denn die Wechseljahre sind kein Mangelzustand, sie sind eine natürliche Lebensphase wie die Pubertät, in der ja auch keine Medikamente nötig sind.
Ob eine Frau bei Beschwerden eine Hormonbehandlung wählen möchte, kann sie abwägen. Hierbei ist es sinnvoll, mögliche erwünschte und nicht erwünschte Wirkungen zu kennen. Dafür ist eine unabhängige Information, die sich an der wissenschaftlichen Evidenz orientiert, unabdingbare Voraussetzung. Frauen brauchen sich bei dieser Entscheidung nicht unter Druck setzen zu lassen. Gut informiert können sie selbst auf der Basis ihrer Einstellung, Erfahrungen und Werte darüber entscheiden.
In sehr wenigen Einzelfällen kann eine Hormoneinnahme sinnvoll sein. Eine Frau kann eine Hormonbehandlung dann erwägen, wenn sie zum Beispiel starke Hitzewallungen hat, mit denen sie anders nicht umgehen kann. Dann ist es sinnvoll, sich zu informieren und Nutzen und Schaden zu vergleichen.
Wenn sie sich danach dazu entschließt, sollte sie wissen, dass es sinnvoll ist, die niedrigste Menge zu nehmen und das so kurz wie möglich. Denn durch die Einnahme von Sexualhormonen hören die Beschwerden in der Regel nur in der Zeit auf, in der die Medikamente genommen werden. Es gibt aber auch Frauen, die auf die Hormonersatztherapie nicht ansprechen.
Mag.a Sylvia Groth: Wenn die Frau mit der Hormonersatztherapie aufhört, können die gleichen Beschwerden wieder auftreten. Dennoch kann eine Unterbrechung oder Linderung für eine Frau durch Medikamente sinnvoll sein, gerade dann, wenn sie in der Zeit auch sonst sehr belastet ist.
Sexualhormone als Medikament zuzuführen macht dem Körper vor, keine Hormonschwankungen zu haben, daher treten die Wallungen dann meistens (in 8 von 10 Fällen) nicht auf. Die Medikamente sollten nur schrittweise abgesetzt werden. Bei 50 von 100 Frauen sind Wallungen auch ohne Medikamente nach 6 Monaten wieder weg oder besser.
Mag.a Sylvia Groth: Seit September 2009 gibt es eine (zuletzt 2020 aktualisierte) deutsche evidenzbasierte S3-Leitlinie zur Hormontherapie in und nach den Wechseljahren, die den Nutzen und die gesundheitlichen Risiken bewertet. Sie gibt auch Empfehlungen, die Ärzte zur Unterstützung einer Frau für ihren Entscheidungsprozess heranziehen können. Die Leitlinie weist darauf hin, eine Hormonbehandlung nicht mehr über Jahre zu geben, sondern höchstens für eine kurze, begrenzte Zeit. In Österreich gibt es bisher keine qualitätsgesicherte Leitlinie zur Behandlung von Frauen mit Hormonen in den Wechseljahren.
Mag.a Sylvia Groth: Millionen von Frauen gegen eine Lebensphase Hormone zu verschreiben hat sehr viel Leid ausgelöst. Wir sind heute schlauer, als dass wir das wiederholen müssten. Manchmal liest man jetzt, es sei Zeit, die kritische Einschätzung zur Hormonbehandlung zu verändern und wieder aufgeschlossener zu werden. Es gibt aber keinen fundierten Grund, die Hormonbehandlung in den Wechseljahren zu rehabilitieren. Es gibt keine neuen Studien, die nachweisen, dass die Einnahme von Hormonen in und nach den Wechseljahren eine sinnvolle Behandlung ist, die weniger Schaden als Nutzen hat.
Was sich geändert hat, ist, dass eine neue Generation von Frauen vor dem und im Wechsel ist. Viele von ihnen wissen nicht mehr, wie viele Frauen durch eine unkritische Verschreibung von Hormonen Schaden genommen haben. Und sie wissen nicht, wie heftig vor 12 Jahren die wissenschaftlichen und öffentlichen Kontroversen waren rund um die Veröffentlichung der Women's Health Initiative Studie.
Mag.a Sylvia Groth: In Folge der Kritik an der Hormonbehandlung ist ein sehr großer Gesundheitsmarkt entstanden, der Frauen mit Beschwerden für teures Geld sehr zweifelhafte, nicht wirksame Alternativen zu Hormonen anbietet. Nur weil damit geworben wird, dass diese Mittel natürlich seien, heißt dies nicht, dass es stimmt. Auch hier rate ich Frauen, sehr kritische Konsumentinnen zu sein und sich unabhängig zu informieren, um nicht getäuscht zu werden.
Sogenannte "natürliche" Hormone sollen lästige Begleiterscheinungen der Wechseljahre lindern, gegen Osteoporose den Knochenaufbau unterstützen, gegen Hitzewallungen und Depressionen helfen – so jedenfalls die Werbebotschaft. Ihre Wirkung ist jedoch zweifelhaft. Eine Studie des Journal of American Medical Association machte deutlich, dass die angepriesenen Phytoöstrogene keineswegs die versprochene Wirkung erzielten. Nach Soja und Rotklee setzt die Industrie auf Yamswurzel. Diese enthält möglicherweise Stoffe, die eine Progesteron-ähnliche Wirkung haben – an wissenschaftlichen Belegen wird noch intensiv geforscht.
Mehr zum Thema: TCM in den Wchseljahren
Mag.a Sylvia Groth: Ganz wichtig erscheint mir, zutreffendes, verständliches Wissen zu haben und sich folgende Fragen zu stellen:
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Was verändert sich in den Wechseljahren körperlich?
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Woher kommen unregelmäßiger werdende Blutungen?
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Welche Auswirkungen hat es, dass das Hormon Östrogen weniger gebildet wird, dass eine Frau keine Eisprünge mehr hat?
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Woher kommen eventuelle körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen, Hitzewallungen oder eine trockener werdende Vagina?
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Welche unschädlichen Möglichkeiten habe ich, Beschwerden zu lindern?
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Welche Möglichkeiten gibt es, so mit mir umzugehen, dass ich mir diese Veränderungen leichter mache?
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Wie "normal" ist das, was ich erlebe?
Allein dieses Wissen hilft Frauen sehr. Ich habe immer wieder erlebt, wie erleichternd für Frauen sachliche Informationen sind. Das ist ja das, was man heute unter Gesundheitskompetenz versteht.
Wenn Frauen Probleme in diesen Jahren haben, müssen sie ja auch nicht notwendig von den Wechseljahren kommen. Sorgen um Kinder, Schwierigkeiten mit dem Alleinsein oder mit dem Partner, Überlastungen in der Arbeit oder mit Angehörigen, die eine Frau pflegt, all das kann diese Lebensphase erschweren. Dort, wo die Belastung liegt, muss ich ansetzen und meine Fähigkeit stärken, Belastungen zu bewältigen.
- Interview mit Mag.a Sylvia Groth, GF des Frauengesundheitszentrums Graz am 28.10.2014
- S3-Leitlinie Peri- und Postmenopause - Diagnostik und Interventionen, Stand 2020 (20.03.2023)
- G. Hinrichen: Die Wahrnehmung der Wechseljahre durch chinesische Migrantinnen, deutsche Frauen und Chinesinnen, Dissertation Charite, Berlin, 2013 (20.3.2023)