Einfluss des Stillens auf die Gehirnentwicklung des Babys

Baby wird von Mutter gestillt.
Bei Babys die in den ersten 3 Monaten gestillt werden, bildet sich die weiße Hirnsubstanz um 20-30% schneller.
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Bei der Geburt ist das Gehirn eines Babys nur ein Viertel so groß wie das eines Erwachsenen. In den ersten 2 Lebensjahren entwickelt es sich stetig weiter und hat dann bereits 75 % seiner späteren Größe erreicht. 

Medizinische Expertise

Moenie van der Kleyn

Moenie van der Kleyn, MPH

Hebamme
Eggenberger Allee 11, 8020 Graz
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Neben Erfahrungen und Informationen, die das Baby in den ersten beiden Lebensjahren macht und verknüpft, ist Stillen ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung des Gehirns. Aber keine Sorge, Babys die nicht gestillt werden sind nicht weniger intelligent als Vollgestillte. Ihr Gehirn entwickelt sich rascher als bei Babys, die in den ersten 3 Lebensmonaten zusätzlich mit Flaschennahrung gefüttert werden. Durch die Omega-3-Fettsäuren in der Muttermilch soll die schnellere Entwicklung angekurbelt werden.

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Die Lust zu lernen und die Welt zu entdecken ist jedem Baby angeboren – und entsprechend rasant verläuft die frühkindliche Gehirnentwicklung: Bei der Geburt ist das Denkorgan gerade mal 25% so groß wie das erwachsene Gehirn. Doch bereits mit 2 Jahren hat es 75% der späteren Größe erreicht. Vor allem Sicherheit und Geborgenheit (Bonding) unterstützen Kinder darin, die Welt angstfrei zu erkunden. Durch die vielen neuen Erfahrungen und Informationen kommen die meisten Verbindungen zwischen den Nervenzellen (neurale Verknüpfungen) in den ersten Lebensjahren im Gehirn zustande. Doch auch die Ernährung spielt eine Rolle für die Gehirnentwicklung. Dabei haben voll gestillte Babys Vorteile: Ihr Gehirn entwickelt sich rascher als bei Babys, die in den ersten 3 Lebensmonaten zusätzlich mit Flaschennahrung gefüttert werden oder diese ausschließlich erhalten und in kognitiven Tests schneiden voll gestillte Kinder noch im Alter von 4 Jahren besser ab als mit der Flasche ernährte.

Stillen wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF sowie der Österreichischen Stillkommission des Obersten Sanitätsrates als ausschließliche Ernährung für Säuglinge in den ersten 6 Lebensmonaten ausdrücklich empfohlen. Denn immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass sich Stillen nicht nur positiv auf die körperliche Entwicklung auswirkt, sondern Kinder auch in Hinblick auf ihre kognitiven Fähigkeiten vom Stillen profitieren.

Stillen hat positive Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung von Grundschulkindern. Den Grund dafür sehen Forscher in bestimmten Inhaltsstoffen der Muttermilch, die sich teilweise gar nicht synthetisch herstellen lassen. So ist Laktose aus der Muttermilch beteiligt an der Entwicklung des zentralen Nervensystems (Laktosegehalt der Muttermilch 6,8 gr./100 ml, Laktosegehalt Formulanahrung 0,3 gr./100 ml). Auch Taurin unterstützt die Entwicklung des Gehirns: Eine besondere Rolle für die gute Gehirnentwicklung spielt die langkettige Omega-3-Fettsäure Docosahexaensäure (DHA). Denn sie ist ein wichtiger Bestandteil gesunder Zellmembranen in allen Geweben, nicht zuletzt in den Membranen der Hirn- und Nervenzellen. DHA macht ganze 40 % der Fettsäuren aus, die in unserem Gehirn vorkommen. Und so ist es eigentlich wenig verwunderlich, dass Untersuchungen zeigen: Hat sich die Mutter in der Schwangerschaft und Stillzeit reichlich von fettem Seefisch, der wichtigsten Quelle für Omega-3, ernährt, entwickelt das Kind bessere kognitive Fähigkeiten bis zum Alter von 8 Jahren. Gestützt werden diese Ergebnisse auch durch Untersuchungen an Flaschenkindern: Wird Flaschennahrung eine ausreichende Menge Omega-3 bzw. DHA oder LCPUFA beigesetzt, führt auch dies zu einer verbesserten kognitiven Leistungsfähigkeit im Kindesalter.

Stillenden und Schwangeren wird deshalb empfohlen: Essen Sie 2 Portionen Fisch pro Woche, um die Versorgung mit täglich 300 mg Omega-3-Fettsäuren sicherzustellen. Sie stecken vor allem in fettem Seefisch wie

  • Lachs
  • Hering
  • Sardine
  • Thunfisch
  • Makrele
  • Algen
  • Krill

Wer keinen Fisch mag, sollte durch Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren auf Nummer sicher gehen. Als wertvolle Ergänzung zu den Hauptlieferanten von Omega-3 gelten einige Pflanzenöle wie z.B. Raps-, Lein- und Walnussöl. Die in ihnen vorkommende alpha-Linolensäure (ALA) ist eine Art Vorstufe, aus der im Körper EPA und DHA gebildet werden können.

Zudem ist Folsäure (Vitamin B11) in Schwangerschaft und Stillzeit wichtig für die Entwicklung von Gehirn und Rückenmark des Babys: Deshalb wird die Einnahme von Folsäure in Form eines Nahrungsergänzungsmittels ab 4 Wochen vor der Befruchtung bis einschließlich der 8. Schwangerschaftswoche empfohlen.

Die positiven Auswirkungen des Stillens auf das Gehirn des Babys können heutzutage mit dem Medizintechnik-Verfahren MRT auch bildlich dargestellt werden: Kinder, die in ihren ersten 3 Lebensmonaten voll gestillt wurden, entwickeln die sogenannte "weiße Hirnsubstanz", die das Innere des Gehirns bildet, um 20 bis 30 % schneller als teilgestillte oder ausschließlich mit Babynahrung gefütterte Kinder. Die weiße Substanz ist unter anderem zuständig für den raschen Transport von Sinneseindrücken und weiteren Informationen zwischen verschiedenen Hirnarealen. Zudem spielt sie bei der Regulation von Gefühlsausdrücken eine Rolle. Die weiße Farbe der Hirnsubstanz entsteht durch die Ummantelung der Nervenbahnen mit weißen Myelinscheiden. Zudem erzielen voll gestillte Kinder mit 4 Jahren die besten Ergebnisse in kognitiven Tests.

Besonders gut ist eine ausschließliche Ernährung mit Muttermilch für zu früh geborene Babys: Bei ihnen fällt der Effekt der besseren kognitiven Entwicklung noch stärker aus als bei reifgeborenen Kindern: Untersuchungen zeigen, dass mit Muttermilch ernährte Frühchen im Alter von 5 Jahren deutlich bessere kognitive Fähigkeiten ausbilden als zugefütterte oder ausschließlich mit Säuglingsnahrung ernährte.


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Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

20. August 2020

Erstellt am:

16. September 2014

Stand der medizinischen Information:

20. August 2020

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