Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans)

Mann mit Morbus Bechterew greift sich auf seinen schmerzenden Rücken
Morbus Bechterew beginnt meist mit einer Entzündung an den Iliosakralgelenken, welche das Kreuzbein der Wirbelsäule mit dem Darmbein des Beckenknochens verbinden.
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Morbus Bechterew zählt zu den entzündlichen rheumatischen Erkrankungen und betrifft in erster Linie die Wirbelsäule, wo er schlimmstenfalls zu einer völligen Versteifung führen kann.

Medizinische Expertise

Burkhard Leeb

Prim. Doz. Dr. Burkhard Leeb

Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie
Babogasse 20, 2020 Hollabrunn
www.leeb-rheuma.at
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Es können allerdings ebenso andere Knochenstrukturen, Gelenke und auch innere Organe betroffen sein. Die Erkrankung bricht meist vor dem 40. Lebensjahr aus. Morbus Bechterew wird zu den Autoimmunerkrankungen gezählt; eine ursächliche Behandlung und Heilung im engeren Sinne ist heutzutage noch nicht möglich. Die Therapie konzentriert sich auf die Schmerzlinderung, gleichzeitig soll der Betroffene beweglich bleiben: Zum Einsatz kommen dabei vor allem entzündungshemmende Medikamente wie NSARs oder (seit kurzem) Biologika sowie physikalische Maßnahmen wie die Radontherapie in Bergwerkstollen.

  • Morbus Bechterew ist eine chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung. Das Immunsystem bekämpft das eigene Gewebe, insbesondere Knochen, Knorpel und Sehnenansätze.
  • Starke Rückenschmerzen und Bewegungseinschränkungen zählen zu den wichtigsten Symptomen der Krankheit.
  • Morbus Bechterew ist aktuell nicht heilbar. Mit einer Kombination aus physikalischer Therapie, Medikamenten und Radontherapie wird versucht, das Voranschreiten zu verlangsamen.
  • Rauchstopp, gesunde Ernährung und bestimmte Sportarten wie Langlaufen oder Schwimmen können sich positiv auf den Verlauf auswirken.

In Österreich leiden rund 0,5 % der Bevölkerung an Morbus Bechterew, eine genaue Zahl ist allerdings schwierig zu nennen, da milde Verlaufsformen oft gar nicht diagnostiziert werden. Frauen und Männer sind etwa gleich häufig betroffen, bei Männern überwiegen allerdings die schweren Verlaufsformen der Erkrankung.

Morbus Bechterew zählt zur Gruppe der Spondyloarthritiden (wie auch die Psoriasis-Arthritis); das sind chronisch-entzündlichen Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, die hauptsächlich die Wirbelsäule und die Gelenke betreffen.

Alle diese Leiden sind sogenannte Autoimmunerkrankungen: Dabei ist das Immunsystem gewissermaßen fehlgeleitet und bekämpft das körpereigene Gewebe – im Falle von Morbus Bechterew vor allem die Bereiche von Knochen, Knorpeln und Sehnenansätzen. Die Folge dieser überschießenden Immunreaktion sind Entzündungen, die im Laufe der Zeit die gesunde Knorpel-Knochenstruktur schädigen und in weiterer Folge zu Versteifungen führen können. Die genaue Ursache von Autoimmunerkrankungen ist nach wie vor unklar. Wissenschafter gehen davon aus, dass sie durch angeborene "Empfänglichkeit" (genetische Disposition) in Kombination mit äußeren Einflüssen erworben werden.

Morbus Bechterew beginnt meist mit einer Entzündung an den Iliosakralgelenken, welche das Kreuzbein der Wirbelsäule mit dem Darmbein des Beckenknochens verbinden. Der Beginn verläuft meist schleichend, die ersten Anzeichen sind tief sitzende Rückenschmerzen ("Kreuzschmerzen"). Diese Schmerzen weisen einige Charakteristika auf, die sie von "normalen" Rückenschmerzen unterscheiden.

  • Beschwerden am Morgen: Die Schmerzen erreichen in den Morgenstunden ihren Höhepunkt, kombiniert mit einer ausgeprägten Steifigkeit der Wirbelsäule; oft wachen die Betroffenen bereits früh am Morgen durch die Schmerzen auf.
  • Liegen macht es schlimmer: Langes Liegen, Ruhephasen und Sitzen auf hartem Untergrund verschlimmern die Beschwerden.
  • Bewegung hilft: Bewegung führt zu einer deutlichen Verbesserung der Schmerzen.
  • Langandauernde Schmerzen: Schmerzen dauern länger als 3 Monate.
  • Bewegungseinschränkung: besonders in der Lendenwirbelsäule und über dem Kreuzbein.
  • systemische Entzündung, wodurch häufig noch andere Gelenke und Organe betroffen sind, das höchst unterschiedliche Beschwerden verursacht: Bei fast der Hälfte aller Betroffenen treten schmerzhafte Gelenksentzündungen an Hüften, Knien, Sprunggelenken und gelegentlich auch den Schultern auf.

Bei aggressiven Verlaufsformen können die Hüftgelenke innerhalb von Monaten versteifen.

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Von Weichteilbeschwerden sind nahezu ein Drittel aller Bechterew-Patienten betroffen; unter anderem Entzündungen der Sehnen (vor allem der Achillessehne), der Sehnenscheiden und der Schleimbeutel. Auch Entzündungen an Brust- und Sitzbein, die Schmerzen beim Atmen und Sitzen auslösen, sind häufig.

Bei rund 40 % der Betroffenen kommt es zu einer Entzündung der Iris, was zu einer Rötung der Augen, starken Schmerzen und extremer Lichtempfindlichkeit führt und unverzüglich behandelt werden muss, um eine Einschränkung der Sehkraft zu verhindern.

Auch innere Organe wie Herz, Lunge und Blutgefäße können von der Entzündung mitbetroffen sein. Dickdarmentzündungen und Herzrhythmusstörungen sind ebenfalls häufige Beschwerden.

Der Krankheitsverlauf insgesamt ist sehr variabel und individuell unterschiedlich. In unbehandelten Fällen kann es zu einer völligen Versteifung der Wirbelsäule kommen, was eine gekrümmte, bucklige Haltung nach sich zieht. Dadurch ist der Betroffene in seiner Bewegung massiv eingeschränkt.

Aufgrund der Vielzahl und der Variabilität der Symptome dauert es in der Praxis oft Jahre, bis eine definitive Diagnose gestellt wird. Das wichtigste Diagnose-Instrument ist das ausführliche Arztgespräch – meist mit dem Hausarzt, der bei Verdacht an einen Rheumatologen überweist.

Zusätzlich zu der Bewertung der typischen Symptome wird die Diagnose durch weitere Maßnahmen gesichert. Eine wichtige Methode ist die Labor-Untersuchung auf den Faktor HLA-B27: Über 90 % aller Bechterew-Patienten tragen dieses Merkmal, welches anhand einer Blutprobe bestimmt wird.

In der Magnetresonanztomographie (MRT) können eine aktive Entzündung der Iliosakral- und Wirbelgelenke sowie Entzündungen der Gelenksknorpel bereits in der Frühphase der Erkrankung sichtbar gemacht werden.

Physikalische Therapie

Die Bewegungstherapie ist sehr wichtig in der Gesamtbehandlung des Morbus Bechterew, sie kann viel dazu beitragen, Bewegungseinschränkungen zu verlangsamen – vor allem bei der Vorwärtsverkrümmung der Wirbelsäule und der Brustkorbstarre. Die Therapie kann auch den Entzündungsverlauf positiv beeinflussen.

Medikamentöse Therapie

Als Medikamente kommen vor allem NSARs (Nichtsteroidale Antirheumatika), die entzündungshemmend und schmerzstillend wirken, zum Einsatz. Bei hoher Krankheitsaktivität – speziell, wenn die Gelenke ständig entzündet sind – wird auch eine sogenannte Basistherapie (DMARDs – disease modifying drugs) mit Methotrexat und Sulfasalazin verordnet. Damit soll eine Stabilisierung der Erkrankung bewirkt werden; allerdings wird nur bei einem gewissen Teil der Betroffenen eine Besserung erzielt.

Als Alternative besteht seit kurzem die Möglichkeit einer Biologika-Therapie. Biologika sind die derzeit stärksten zur Verfügung stehenden Medikamente zur Entzündungshemmung. Sie kommen bei ausgeprägter Entzündungsaktivität im Körper mit entsprechenden heftigen Schmerzen zum Einsatz, wenn die Einnahme von NSAR (bzw. bei Gelenkbeteiligung auch einer Basistherapie) nicht ausreichend wirkt. Biologika werden unter die Haut gespritzt bzw. als Infusion gegeben.

Wenn andere Organe von der Krankheit betroffen sind, kann der Einsatz weiterer spezifischer Medikamente zusätzlich notwendig sein.

Radontherapie

Das radioaktive Edelgas Radon in Kombination mit der feucht-warmen Atmosphäre kann in niedrigen Dosen entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken. Dieser Effekt wird bei den Einfahrten in Bergwerks-Stollen genutzt – beispielsweise in Gastein. Dabei werden die Patienten in einen warmen Stollen gebracht, wo sie für eine gewisse Zeit einer Radon-Atmosphäre sowie feuchter Wärme ausgesetzt sind.

  • Eine Ernährung bestehend aus einer leichten Mischkost mit reichlich frischem Obst und Gemüse, pflanzlichen Ölen und Seefisch wirkt günstig auf rheumatische Beschwerden.
  • Suchen Sie den Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe.
  • Für Raucher: Geben Sie das Rauchen auf.
  • Verschiedene Sportarten wie Skilanglauf, Rückenschwimmen oder Nordic Walking wirken sich positiv auf die Erkrankung aus.

Wichtig ist, dass die verordneten Rückenübungen regelmäßig in den Tagesablauf eingebaut werden.

  • Medizinwissen von A-Z, TRIAS Verlag, 1. Auflage, Stuttgart, 2006
  • Rheumatologie aus der Praxis, R. Puchner, Springer Verlag, 2. Auflage, Wien, 2012
  • Praktische Rheumatologie, A. Dunky et al., Springer Verlag, 5. Auflage, Wien, 2012
  • Core set of behavioral recommendations for patients with ankylosing spondylitis. Feldtkeller E., Lind-Albrecht G., Rudwaleit M., In: Zeitschrift für Rheumatologie. 2013 Dec;72(10):993-6
  • ASAS recommendations on the use of TNF inhibitors for patients with axial spondyloarthritis: evaluation of the 2010 update in the German-speaking area. Kiltz U., Sieper J., Braun J., In: Zeitschrift für Rheumatologie. 2013 Feb;72(1):81-8
  • Treatment of ankylosing spondylitis with biologics and targeted physical therapy: positive effect on chest pain, diminished chest mobility, and respiratory functio. Gyurcsik Z., Bodnár N., Szekanecz Z., S. Szántó, In: Zeitschrift für Rheumatologie. 2013 Dec;72(10):997-1004

Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

3. September 2020

Erstellt am:

11. November 2014

Stand der medizinischen Information:

3. September 2020


ICD-Codes:
  • M45
  • M46
  • M54

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