Nesselsucht (Urtikaria)

Haut mit Nesselsucht
Starke Hautrötungen und Quaddeln sind deutliche Hinweise für eine Nesselsucht.
© Jürgen Fälchle / Fotolia.com

Nesselsucht ist eine der häufigsten Hauterkrankungen. Während des Lebens bilden sich bei jedem Vierten mindestens einmal die stark juckenden Quaddeln.

Medizinische Expertise

Stefan Wöhrl

Priv.-Doz. Mag. Dr. Stefan Wöhrl

Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten
Pius-Parsch-Platz 1/3, 1210 Wien
www.faz.at
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Inhaltsverzeichnis

Oft wird die Urtikaria durch Infekte, durch Wärme, Kälte oder Druck ausgelöst. Häufigste Form ist die akute Nesselsucht, die bis zu 6 Wochen anhält und spontan wieder abheilt. Dabei variiert das Erscheinungsbild von stecknadel- bis zu handtellergroßen Erhebungen, die am ganzen Körper verteilt auftreten können und rot umrandet sind.

Besteht die Nesselsucht länger als sechs Wochen, spricht man von chronischer Urtikaria. Der juckende Ausschlag ist lästig, aufgrund der spontanen Abheilung ohne Folgeschäden aber nicht gefährlich. Das typische Erscheinungsbild reicht dem Hautarzt als Diagnose oft aus, um eine symptomatische Behandlung mit Antihistaminika einzuleiten.

Bei einem Viertel aller Menschen bildet sich wenigstens einmal im Leben eine akute Nesselsucht. Die Nesselsucht ist charakterisiert durch das Auftreten von Quaddeln und/oder Angioödemen. Unter Agioödem versteht man eine Schwellung in der tiefer liegenden Hautschicht.

Das Angioödem ist charakterisiert durch:

  • eine ausgeprägte Schwellung der tieferen Hautschichten
  • gelegentlich Schmerzen, nur selten Juckreiz
  • häufige Beteiligung der Schleimhäute — eine Rückbildung dauert länger als bei Quaddeln (bis zu 72 Stunden)

50% der Betroffenen haben nur Quaddeln, 40% Quaddeln & Angioödem, 10% nur Angioödeme. Seltener tritt die chronische Form der Urtikaria auf. Nur etwa ein Prozent der Bevölkerung ist von der länger andauernden Form der Nesselsucht betroffen.

Die Nesselsucht, medizinisch Urtikaria, stammt vom lateinischen Begriff für Brennnessel ab. Auslöser der Urtikaria ist eine überempfindliche Körperabwehr. Mastzellen sind Teil der Immunabwehr. In großer Anzahl kommen sie in der menschlichen Haut vor und sollen eigentlich Infekte abwehren.

Bei der Nesselsucht reagiert das Immunsystem inklusive seiner Mastzellen jedoch auch auf harmlose Substanzen und schüttet als sofortige Abwehrreaktion übermäßig viele Botenstoffe (u.a. Histamin) aus. Durch sie erweitern sich die winzigen Blutgefäße in den obersten Hautschichten, so dass sich das Areal rot färbt, vermehrt Flüssigkeit eindringt und die Schwellung einer Quaddel (Urtika) bildet.

Die Quaddeln haben ein unterschiedliches Erscheinungsbild und gehen mit folgenden Symptomen einher:

  • Sie können sowohl vereinzelt als auch gruppiert am gesamten Körper auftreten
  • Manche sind nur so groß wie ein Stecknadelkopf, andere können einen Durchmesser von 10 Zentimeter und mehr erreichen
  • Die einzelnen Schwellungen sind flüchtig und verschwinden meist nach ein paar Stunden wieder. Häufig treten sie dann schubweise an anderer Stelle wieder auf bis die Erkrankung endgültig abgeklungen ist
  • Die Quaddeln haben in der Mitte eine weißlich-gelbe Färbung und sind rot umrandet
  • Es besteht ein starker Juckreiz, der aber nicht zum Kratzen, sondern zum Reiben und Scheuern drängt
  • Die Schwellungen treten vor allem abends und nachts auf und verflüchtigen sich dann im Laufe des Tages wieder

Die Nesselsucht wird in zwei Hauptgruppen aufgeteilt: die akute und die chronische Urtikaria. Daneben gibt es noch einige Unterkategorien:

AKUTE URTIKARIA CHRONISCHE URTIKARIA
Häufige Verlaufsform Seltene Verlaufsform
Tägliches spontanes Auftreten der flüchtigen Quaddeln Auch hier treten die Quaddeln täglich oder wiederkehrend mit einem Abstand von Tagen bis Wochen auf.
Die Quaddeln treten über einen Zeitraum von wenigen Tagen bis höchstens 6 Wochen auf. Die Dauer der Hauterkrankung beträgt laut Definition aber insgesamt mehr als 6 Wochen. Im Schnitt sogar 4 bis 6 Jahre.

Besonders bei der akuten Form der Urtikaria bleibt die Ursache häufig ungeklärt. Als Auslöser der Überreaktion der Mastzellen kommen bei beiden Varianten aber folgende Möglichkeiten in Frage:

  • Allergische Reaktionen
  • Reaktionen auf Medikamente und Insektenstiche
  • Toxische Reaktionen auf Chemikalien oder giftige Pflanzen
  • Physikalische Ursachen wie Kälte, Wärme, Reibung, Lichteinstrahlung
  • Folge einer Infektion mit Viren, Bakterien, Parasiten oder Pilzen
  • Als Begleiterscheinung einer Autoimmunerkrankung wie der Schmetterlingsflechte (Lypus erythematodes) oder einer chronischen Schilddrüsenentzündung (Autoimmunthyreoiditis)

Die Diagnose einer Nesselsucht erfolgt vorrangig durch ein Patientengespräch und das Begutachten des typischen Erscheinungsbildes. Bei der Anamnese sind die Häufigkeit des Auftretens, die Dauer und die Veränderung der Quaddeln von wichtiger Bedeutung für den Arzt. Des Weiteren muss der Arzt erfahren, ob Sie zur Zeit des Auftretens irgendwelche Medikamente einnehmen.

Gelangt der Arzt bei dem Patientengespräch zu der Überzeugung, dass es sich um eine akute Nesselsucht handelt, ist keine weiterführende Untersuchung notwendig, da es in der Regel zu einer spontanen Abheilung kommt. Daher wird er versuchen, bis dahin die begleitenden Beschwerden, allen voran den starken Juckreiz, zu lindern.

Sollten die Schwellungen über einen längeren Zeitraum wiederkehrend auftreten, kann nach möglichen Ursachen gesucht werden. Dazu kann er folgende Test durchführen:

  • Blut-, Stuhl- und Urinprobe, um begleitende Erkrankungen und Antikörper festzustellen
  • Eliminationsdiät: auf einzelne Nahrungsmittelbestandteile und Zusatzstoffe, die für Unverträglichkeiten bekannt sind, wird vorübergehend strikt verzichtet. Hat der Arzt einen Stoff als Ursache identifiziert, wird er zur Absicherung gezielt diesen einen Auslöser testen. Der Provokationstest ist positiv, wenn daraufhin erneut Quaddeln auftreten.
  • Physikalische Testung mit Wärme, Kälte und Licht durch direkten Kontakt
  • Allergietest

Auslöser vermeiden: Wird ein spezifischer Auslöser für die Nesselsucht gefunden, sollte der künftig gemieden werden. Das gilt sowohl für physikalische Reize (Wärme, Kälte, Druck), wie für bestimmte Medikamente, Nahrungsmittel oder Zusatzstoffe und andere bekannte Stoffe, die eine allergische Reaktion auslösen.

Sind Infekte oder andere Erkrankungen die Ursache, müssen diese behandelt werden. Das ist eher selten der Fall.


Solange die Ursache aber nicht feststeht, kann nur eine ausreichende symptomatische Therapie erfolgen, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dafür stehen dem Hautarzt mehrere Mittel zur Verfügung. Die Quaddelbildung lässt sich am besten durch die Gabe von Antihistaminika in Form von Tabletten unterdrücken. Achten Sie dabei vor allem im Straßenverkehr darauf, dass eine hohe Dosis zu Müdigkeit führen kann. Durch ihre geringe Wirkstoff-Konzentration sind antihistaminhaltige Gels und Salben hingegen kein wirksames Mittel gegen die Nesselsucht, sie haben nur einen kurzen kühlenden Effekt.

Um nichts zu vergessen, sollten Sie sich gut auf Ihren Besuch beim Hautarzt vorbereiten. Notieren Sie dafür in Stichworten, wann die Nesselsucht zum ersten Mal aufgetreten ist, wie häufig es zu Beschwerden kommt, Größe und Verlauf der einzelnen Quaddeln. Es empfiehlt sich ein Foto mit einem Mobiltelefon anzufertigen und zum Arzt mitzunehmen, denn die Urtikaria ist flüchtig und meistens wieder verschwunden, wenn der Patient beim Arzt erscheint. Schreiben Sie auch auf, welche Medikamente sie seit wann nehmen.

Sie können einen Urtikaria-Kalenders führen, um den Verlauf einer Urtikaria besser zu verstehen und deren Auslöser und Ursachen zu finden. Schreiben Sie dafür über mehrere Wochen hinweg auf, wie stark Ihre Beschwerden an jedem einzelnen Tag waren und wie die Ausprägung der Quaddeln ist. Notieren Sie außerdem, was dem Auftreten der Beschwerden vorausging: Was haben Sie gegessen und getrunken? Welcher Beschäftigung nachgegangen? Sind Sie mit irgendwelchen Stoffen in Berührung gekommen? Alles können Hinweise auf die Ursache der Nesselsucht sein.

Vermeiden Sie, an den Quaddeln zu reiben. Kühlen ist eine einfache Methode, den belastenden Juckreiz zu lindern. Nehmen Sie beispielsweise eine kalte Dusche, ein feuchtes Tuch oder ein umwickelten Kühlakku. Achten Sie dabei aber auf Hautschäden durch die Kälte. Kühlakkus, Eis und Eisspray sollten keinen direkten Hautkontakt haben.


Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

29. April 2019

Erstellt am:

28. April 2016

Stand der medizinischen Information:

29. April 2019


ICD-Code:
  • L50

Quellen:

Informationen über "Urtica" aus der Online-Enzyklopädie der Dermatologie, Venerologie, Allergologie und Umweltmedizin (29.04.2019)

Dermatologie, Duale Reihe, I. Moll, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2010

Klinisches Wörterbuch, Psychrembel, Walter de Gruyter GmbH & CoKG, Berlin, 2013

Urtikaria: Klinik, Diagnostik, Therapie, B. M. Henz, T. Zuberbier, J. Grabbe, Springer Medizin Verlag, Berlin, 2013


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