Alkoholsucht (Alkoholismus)

Mann mit Alkoholproblem sitzt vor einem Glas Wein
Bei Alkoholsucht wird das Trinken zum Zwang, Betroffene haben das Verlangen, immer mehr zu trinken.
© Syda Productions / Fotolia.com

Etwa jede 20. Österreicher:in ist alkoholabhängig, Männer sind drei Mal häufiger von der Sucht betroffen als Frauen. Bei Alkoholsucht wird das Trinken zum Zwang und drängt andere Aktivitäten in den Hintergrund. 

Medizinische Expertise

Wolfgang Gombas

Dr. Wolfgang Gombas

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Arzt für psychosomatische Medizin, Allgemeinmediziner
Familienplatz 4/4, 1160 Wien
www.dr-gombas.at
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Inhaltsverzeichnis

Betroffene haben das Verlangen, immer mehr zu trinken – wenn sie darauf verzichten, treten Entzugssymptome auf. Die Ursachen finden sich in der individuellen Lebensgeschichte, aber auch im sozialen Umfeld und dem Abhängigkeitspotenzial bzw. der Verfügbarkeit des Alkohols. Auch wenn sie über negative Folgen wie Leberschädigungen Bescheid wissen, können viele Betroffene nicht aufhören, zu trinken. Entzugstherapien, bei denen Medikamente und Psychotherapie eingesetzt werden, helfen bei der Bekämpfung der Abhängigkeit, aber auch der Besuch von Selbsthilfegruppen.

  • Etwa 15 % der Österreicher:innen trinken in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß, wobei Männer wesentlich häufiger betroffen sind.
  • Von einer Alkoholsucht sind etwa 5 % der Österreicher:innen betroffen. Von dieser Verhaltensweise spricht man, wenn ein zwanghaftes Trinkverhalten beobachtbar ist und bei der betroffenen Person Entzugssymptome auftreten.
  • Alkohol wird unter anderem zur Stressbewältigung oder als Konflikt- und Spannungslöser verwendet.
  • Wie anfällig man ist, hängt von verschiedenen Faktoren wie etwa dem sozialen Umfeld oder biologischen Faktoren ab.
  • Alkohol kann alle Körpersysteme betreffen (Nervensystem, Herz-Kreislaufsystem etc.).
  • Bestimmte Medikamente können helfen, das Suchtverlangen zu dämpfen. Eine Psychotherapie kann ebenso zur Suchtbekämpfung beitragen.

Video: Gewohnheit oder Sucht – Wo ist die Grenze?

Univ.-Prof. Dr. Eva Maria Reininghaus (Vorständin der Univ.-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Med Uni Graz) zeigt auf, wo beim Alkoholkonsum die feine Grenze zwischen harmloser Gewohnheit und krankhafter Abhängigkeit liegt. (Webinar, 12.5.21)

Insgesamt sind 5 % der Österreicher:innen alkoholabhängig, genauer gesagt 7,5 % der Männer und 2,5 % der Frauen. Zusätzlich ist bei 15 % – d. h. bei ungefähr jeder 8. Person in Österreich – der Alkoholkonsum problematisch, man spricht von Alkoholmissbrauch.


Bei Alkoholmissbrauch entstehen für die Betroffenen durch den Alkoholkonsum Probleme auf zwischenmenschlicher oder rechtlicher Ebene, weil sie ihren Aufgaben (z.B. Job) nicht nachkommen, alkoholisiert Auto fahren oder zu Streit und Aggressionen neigen. Im Gegensatz zur Alkoholsucht ist das Trinken kein Zwang, es treten keine Entzugssymptome auf.


Wie viel Alkohol konsumiert werden kann, bis eine Gesundheitsgefährdung eintritt, ist für Männer und Frauen unterschiedlich:

FRAUEN MÄNNER
Unbedenklicher Konsum Bis 16 g Alkohol pro Tag
= ca. 0,4 Liter Bier / ca. 0,2 Liter Wein
Bis 24 g Alkohol pro Tag
= ca. 0,6 Liter Bier / ca. 0,3 Liter Wein
Gesundheitsgefährdender Konsum Ab 40 g Alkohol pro Tag
= ca. 1 Liter Bier / ca. 0,5 Liter Wein
Ab 60 g Alkohol pro Tag
= ca. 1,5 Liter Bier / ca. 0,75 Liter Wein

Alkohol wird von vielen Abhängigen wie ein Medikament eingesetzt: Wenn es ihnen schlecht geht, sie Stress oder Probleme zu bewältigen haben, trinken sie. Alkohol wird als Konflikt- und Spannungslöser eingesetzt oder als Mittel, um sich besser zu fühlen. Kurzfristig geht es den Betroffenen auch besser, der Alkohol hebt die Stimmung und Probleme können leichter vergessen werden – das "Medikament" wirkt. Langfristig gewöhnt sich der Körper an die Wirkung des Alkohols, bei gleichbleibender Menge tritt nicht mehr derselbe Effekt ein. Daher muss die Alkoholmenge erhöht werden, die Betroffen:e schlittert in die Abhängigkeit.

Ganz allgemein gibt es 3 Faktoren für die Entstehung einer Sucht:

  • Droge: Wie groß ist ihr Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial? (Wirkung der Substanz auf den Körper); Wie verfügbar ist sie? (kulturell unterschiedliche Verfügbarkeit und Strafbarkeit)
  • Individuum: Welche genetischen und lebensgeschichtlichen Einflüsse gibt es? (z.B. alkoholkranke Eltern, Traumata); Welche biologischen und psychologischen Faktoren gibt es? (z.B. psychische Erkrankungen)
  • Sozialfeld: Welche sozialen Rahmenbedingungen liegen vor? (z.B. Arbeitslosigkeit, Armut); Welche Besonderheiten gibt es im familiären Kleinraum? (z.B. Scheidung, Verlust eines Familienmitglieds)

Von Alkoholabhängigkeit spricht man dann, wenn irgendwann während des vergangenen Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien gleichzeitig aufgetreten sind:

  • zwanghaftes Trinken
  • Verlust der Kontrolle über die aufgenommene Alkoholmenge
  • Auftreten von Entzugssymptomen (wenn der Alkoholkonsum eingeschränkt wird)
  • Entstehen einer Toleranz (es sind immer höhere Mengen an Alkohol nötig um die gewünschte Wirkung zu erzielen)
  • Vernachlässigung von Freizeitaktivitäten und erhöhter Zeitaufwand für Beschaffung, Konsum und Erholung von Alkohol
  • Anhaltender Alkoholkonsum trotz des Wissens um negative Folgen

So viel Alkohol ist in verschiedenen Getränken enthalten:

GETRÄNK MENGE ALKOHOLGEHALT
Bier 0,33 Liter ca. 13 g
Bier 0,5 Liter ca. 20 g
Wein (leicht) 1 Liter ca. 55-75 g
Wein (mittel) 1 Liter ca. 75-90 g
Wein (schwer) 1 Liter ca. 90-110 g
Korn (32 % vol.) 1 Liter ca. 250-260 g
Weinbrand (38-40 % vol.) 1 Liter ca. 300-320 g
Whiskey (38-40 % vol.) 1 Liter ca. 340-350 g

0,05 Liter Korn = 0,25 Liter Wein / Sekt = 0,5 Liter Bier / Most = 1/16 Liter Spirituosen (3 Schnäpse à 20 ml) = 1/8 Liter Likör

Bei Alkoholabhängigen kann eine Alkoholisierung von etwa 3-4 Promille gegeben sein, ohne dass sie sich auffällig verhalten. Bei Personen, die nicht an die Wirkung von Alkohol gewöhnt sind, treten die nachfolgend aufgelisteten Reaktionen ein:

PROMILLE (‰) WIRKUNG
Unter 0,2 ‰ Enthemmende Wirkung, gesteigerte Redseligkeit
Ab 0,3 ‰ Erste Beeinträchtigungen
(Sehfeldeinschränkung, Entfernungseinschätzung)
Ab 0,5 ‰ Reaktionszeit verlängert, vor allem auf rote Signale (Rotlichtschwäche)
Ab 0,8 ‰ Erste Gleichgewichtsstörungen, eingeengtes Gesichtsfeld (Tunnelblick), deutliche Enthemmung
1-1,5 ‰ Sprachstörungen, erhöhte Risikobereitschaft und Aggressivität
2-2,5 ‰ Starke Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, Lallen
Mehr als 2,5 ‰ Bewusstseinseintrübung, Lähmungserscheinungen, Doppelbilder, Amnesie
Mehr als 3,5 ‰ Gefahr der potenziell lebensbedrohlichen Atemdepression

Alkohol wirkt auf folgende Grundfunktionen:

  • Sensorik: Seh- und Hörvermögen verschlechtert sich, Schmerzempfindlichkeit sinkt, schnellere Ermüdung
  • Intellekt: Verbale und nonverbale intellektuelle Fähigkeiten verschlechtern sich bei Alkoholeinfluss
  • Gedächtnis und Lernen: Gedächtnis (vor allem Kurzzeitgedächtnis) und die Fähigkeit, Neues zu lernen, sind beeinträchtigt
  • Emotionen: Mehr Impulsivität; Stimmungsänderungen: depressiv, müde, gereizt; Euphorie

Es gibt verschiedene Typen von Alkoholiker:innen (nach Lesch):

ALPHA-TYP
  • Konflikt- und Problemerleichterungstrinker:in
  • nur psychische Abhängigkeit
  • kein Kontrollverlust – undiszipliniertes Trinken mit Fähigkeit zur Abstinenz
BETA-TYP
  • Gelegenheitstrinker
:in
  • weder psychische noch körperliche Abhängigkeit
  • kein Kontrollverlust
GAMMA-TYP
  • süchtige Trinker:in
  • 
erst psychische, dann körperliche Abhängigkeit
  • Kontrollverlust mit Abstinenzphasen
DELTA-TYP
  • Gewohnheitstrinker:in: kontinuierlicher Alkoholkonsum, selten mit Rausch
  • körperliche Abhängigkeit

  • weder Kontrollverlust noch Abstinenz
EPSILON-TYP
  • episodische Trinker
:in
  • psychische Abhängigkeit
  • Kontrollverlust mit Fähigkeit zur Abstinenz

Jahrelanger exzessiver Alkoholkonsum kann verschiedenste körperliche Erkrankungen nach sich ziehen. Leberschädigungen (z.B. Fettleber, Leberzirrhose), Lungenerkrankungen (z.B. COPD), Traumata, Bluthochdruck, Ernährungsstörungen (z.B. Mangelernährung) und Störungen des Gastrointestinaltraktes (z.B. Gastritis, Magen-Darm-Geschwür) können die Folge sein. Auch psychische Erkrankungen können auftreten. Zu den wichtigsten gehören depressive und aggressive Störungen, Eifersuchtswahn, Halluzinose und Gedächtnisverlust.

Da die Betroffenen wegen dem Trinken oft andere Lebensbereiche von Hobbys, Freundschaften bis hin zum Job vernachlässigen, sind die sozialen Folgen ebenfalls von Bedeutung.

Die Diagnose Alkoholabhängigkeit wird dann gestellt, wenn mindestens 3 der folgenden Symptome

  • zwanghaftes Trinken,

  • Kontrollverlust
  • 
Entzugssymptome,
  • 
das Verlangen nach immer höheren Trinkmengen
  • Vernachlässigung anderer Aktivitäten
  • fortgesetztes Trinken trotz negativer Folgen

innerhalb des letzten Jahres aufgetreten sind.

Dies kann mithilfe von Selbstbeurteilungsfragebögen erfasst werden, in denen die Betroffenen ihr Trinkverhalten beurteilen. Zusätzlich dazu können auch Laboruntersuchungen durchgeführt werden, um die Diagnose zu bestätigen. Der aktuelle Alkoholkonsum lässt sich gut über die Menge an Ethylalkohol in Atemluft, Blut oder Urin messen. Für den chronischen Alkoholkonsum können die Stoffe Ethylglukuronid und Phosphatidylethanol herangezogen werden, die in Haaren, Blut oder Urin nachgewiesen werden können.

Mehr lesen » Alkohol: Wann wird Genuss zur Sucht?

Für die Behandlung von Alkoholsucht gibt es mehrere Möglichkeiten. Für den Entzug können folgende Mittel bzw. Methoden eingesetzt werden:

Medikamente: Entweder, um das Verlangen nach Alkohol zu dämpfen. Sie unterstützen aber auch im Rahmen einer abstinenzorientierten Entzugstherapie, um unangenehme Vergiftungserscheinungen (z.B. Erbrechen) hervorzurufen, wenn doch getrunken wird. Außerdem kann die Stimmung verbessert und häufig auftretende Schlafprobleme reduziert werden.

Psychotherapie: Alle Therapieformen sind für Alkoholabhängige geeignet – das Spektrum reicht von tiefenpsychologischer Psychotherapie über Verhaltenstherapie, von systemischer Therapie bis hin zu familienorientierter Therapie.

Neuere Ansätze gehen davon aus, dass Alkoholsucht nicht die Ursache, sondern die Folge eines zugrundeliegenden Problems – einer psychischen Erkrankung oder persönlichen Krise der Betroffene:n – ist. Deshalb sollte bei Alkoholabhängigen immer auch überprüft werden, ob Depressionen, Borderline-Störung, Schizophrenie, Zwänge oder Ängste vorliegen, aus denen sich die Sucht entwickelt haben könnte. Bei Bedarf können Psychopharmaka wie Antidepressiva eingesetzt werden.

Statt völlige Abstinenz als Ziel anzustreben, die im Alltag schwer aufrechtzuerhalten ist, geht die Entwicklung hin zu Entzugstherapien, die kontrolliertes Trinken als Ziel haben.

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Alkoholsucht

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Wie viel Prozent der Österreicher:innen trinken in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß?

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Unter welchen Alkohol-Typen fällt die Gewohnheitstrinker:in?

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Was ist eine Behandlungsmöglichkeit?

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Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

13. März 2023

Erstellt am:

24. November 2016

Stand der medizinischen Information:

24. November 2016


ICD-Code:
  • F10

Quellen:

Interview mit Dr. Wolfgang Gombas, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapeut

Suchtmedizin kompakt – Suchtkrankheiten in Klinik und Praxis, F. Tretter (Hrsg.), Schattauer, 2. Auflage, Stuttgart, 2012

Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V (F), WHO/H. Dilling, W. Mombour & M. H. Schmidt (Hrsg.), Verlag Hans Huber, 7. Auflage, Bern 2010

Handbuch Alkohol – Österreich. Band 1: Statistiken und Berechnungsgrundlagen 2013, Bundesministerium für Gesundheit, 5. Auflage, Wien, 2013

Epidemiologiebericht Sucht 2021. Illegale Drogen, Alkohol und Tabak. Gesundheit Österreich, Wien


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