Medikamente sind zwar in vielen Fällen hilfreich, doch die Ursachen kann man auch mit entsprechendem Rückentraining nachhaltig bekämpfen. So etwa haben sich Qigong, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) und eine entsprechende Bewusstseinsbildung als probate Mittel gegen Rückenschmerzen erwiesen. Auch die richtige Atemtechnik kann dazu beitragen, das "Kreuz mit dem Kreuz" wieder in den Griff zu bekommen.
"Viele Menschen, die in meine Praxis kommen, arbeiten schon zu lange auf ihren letzten Energiereserven. Das äußert sich in starken Schmerzen im Bereich des Rückens, meist im unteren Teil, in der Gegend der Nieren", erklärt der TCM-Spezialist Dokuho Meindl. Der Mediziner hat in Peking TCM studiert und vereint es mit der Kunst des Qigong. Dies setzt er in vielfältiger Weise um. Er gibt Übungswege des Zen und Qigong, der Traditionellen Chinesischen Medizin und der Kunst und Kultur des Ostens weiter. Der Mediziner spricht von einem zeitgeistigen Phänomen, denn Rückenschmerzen plagen gegenwärtig fast drei Viertel der Menschheit.
Wer seine verbrauchten Energiereserven nicht mehr ausreichend auffüllen kann, z.B. durch genügend Schlaf, gesunde Ernährung und moderate Bewegung, dessen Speicher sind bald leer. "Energiereserven sind wie ein Sparkonto, man sollte glücklich sein, dass es vorhanden ist, aber nicht antasten oder gar aufbrauchen", sagt Dokuho Meindl. Dass Rückenschmerzen derart häufig auftreten, ist ein Zeichen der Zeit. Einerseits sind Menschen heute größer gewachsen als noch vor 100 Jahren, dadurch ist die Wirbelsäule auch stärker belastet. Andererseits stehen viele unter beruflichem oder familiärem Druck. "Ich kann keinem Manager sagen: Na, dann arbeite nur noch die halbe Zeit, dann hast du keine Schmerzen. Besser ist es, zu lernen, auf seinen Körper zu hören und sich die Zeit für Regeneration auch im Alltag zu nehmen. Das ist mitunter einfacher als man denkt."
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Effektive Übungen, die vor Überlastung, Verspannungen und Rückenschmerzen schützen und Entspannung garantieren, gehen vor allem mit der richtigen Atmung Hand in Hand. "Wir hecheln oft durch den Tag, weil wir im oberen Brustbereich atmen. Wichtig ist es aber, auch aus der tiefen Atmung zu schöpfen", so der Mediziner.
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Eine einfache Übung, die jeder im Büro oder an der Supermarktkassa ausführen kann, ist ein gleichmäßiges, tiefes Einatmen, das man bis in den Unterbauch spüren sollte – am besten man legt die Hand auf, um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen. Man spricht von einem "Bauchgefühl", das kommt nicht von ungefähr. Vom Bauch zum Gehirn führt eine Unzahl von Nervenverbindungen. Im Bauch liegt in der japanischen Tradition ("Hara") auch das Zentrum unseres Lebens, unser Lebenselixier, und dieser Speicher muss immer gut gefüllt sein. Das erreicht man mit bewusster Wahrnehmung und richtiger Atmung.
Wichtig vor jedem Rückenprogramm ist eine ausführliche Anamnese. Dokuho Meindl nimmt sich für jeden Menschen eineinhalb bis zwei Stunden Zeit. "Besonders bei Rückenproblemen muss man das Umfeld des Betroffenen genau kennen, um zu erkennen, was ihn belastet und ihm Schmerzen verursacht." So kann nach einem solchen Gespräch auch die Indikation für eine Akupunkturbehandlung gegeben sein. Dabei werden je nach Diagnostik die Fernpunkte – meist geht der Schmerz von den Füßen aus – aktiviert. Mitunter auch in Kombination mit Aktivierung von lokalen Punkten am Rückenmeridian.
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Ergänzend zu jeder Behandlung empfiehlt Dokuho Meindl ein spezielles Wirbelsäulen-Qigong. Im Bereich des Qigong gibt es unterschiedliche Formen, so beispielsweise mit Bezug auf die 5 Elemente, eine Form, die Herz, Lunge und Leber stärkt. Eine andere Form eignet sich ideal für Menschen, die an Migräne laborieren. Die Form des Wirbelsäulen-Qigong vollzieht sich vorwiegend in weichen Wellenbewegungen unter Zuhilfenahme der Arme, sodass die Wirbelsäule gelockert wird, die Energie besser fließt. "Spezielle Übungen daraus helfen auch bei akuten Rückenschmerzen," erklärt Dokuho Meindl. Mit Schmunzeln erinnert er sich an eine Begegnung mit dem japanischen Kaiser. "Ich habe am Vortag meine Autoreifen gewechselt – am nächsten Tag plagte mich ein heftiger Schmerz im Rücken", erzählt der Meister. Doch galt es, im "Land des Lächelns" – aus Höflichkeit –, dieser Schmerzen Herr zu werden. Schließlich musste Dokuho Meindl bei einer hochoffiziellen Gala gute Haltung bewahren. "Glücklicherweise fiel mir diese Übung noch rechtzeitig ein: Ich machte kleine, wellenförmige Bewegungen mit der Wirbelsäule, habe sie sanft gelockert und plötzlich war der Schmerz so rasch vorbei wie der gekommen war. Niemand hat etwas von meinen Übungen bemerkt", lächelt der Kenner. Wirbelsäulen Qigong ist darüber hinaus nicht nur eine probate Möglichkeit, um Schmerzen zu lindern, sondern um sich von vornherein vor ihnen zu schützen.
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- Interview mit Dokuho Meindl
- Nie wieder Rückenschmerzen, E. Gokhale, S. Adams von Riva, G&U, München, 2013