Hypoglykämie (Unterzuckerung)

Eine Unterzuckerung kann im schlimmsten Fall zu einer Bewusslosigkeit führen.
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Eine Hypoglykämie stellt für Diabetiker:innen die häufigste "Nebenwirkung" der blutzuckersenkenden Therapie dar und ist immer eine bedrohliche Situation.

Medizinische Expertise

Arnulf Ferlitsch

Prof. Priv.Doz. Dr. Arnulf Ferlitsch

Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie
Semperstraße 29/7, 1180 Wien
www.semperstrasse29.at
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Von Unterzucker spricht man, wenn der Blutzuckergehalt im Blut auf unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l) sinkt. Typische Symptome sind Zittern, starkes Schwitzen, Herzklopfen, Sehstörungen und Krämpfe bis hin zur Bewusstlosigkeit.

  • Sinkt der Blutzuckergehalt im Blut auf unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l) spricht man von "Unterzuckerung".
  • Sie entsteht, wenn blutzuckersenkende Faktoren stärker sind, als blutzuckererhöhende Faktoren.
  • Am häufigsten betroffen sind Typ-1-Diabetiker:innen und mit Insulin behandelte Typ-2-Diabetiker:innen.
  • Symptome reichen von Zittern, starkem Schwitzen, Sehstörungen, Krämpfen bis hin zur Bewusstlosigkeit.
  • Für den richtigen Umgang mit Hypoglykämien stehen Diabetikerschulungen zur Verfügung.
Art Ungesunder Blutwert
Beschreibung Blutzuckerwert unter 50 mg/dl
Ursache Diabetes
Symptome Zittern, starkes Schwitzen, Sehstörungen, Krämpfe, Bewusstlosigkeit
Therapie Zufuhr von Kohlenhydrate, Glukagon-Spritze

Hypoglykämie, auch als Unterzuckerung bekannt, bezeichnet einen Zustand, bei dem der Blutzuckerspiegel auf unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l) absinkt. Dies kann verschiedene Ursachen haben und tritt häufig bei Menschen mit Diabetes auf, die Insulin oder andere blutzuckersenkende Medikamente einnehmen. Je nach Schweregrad der Unterzuckerung kann sich die betroffene Person entweder durch die Einnahme von Traubenzucker selber helfen oder ist auf die Hilfe von Mitmenschen oder einer Ärzt:in angewiesen.

Um die Ursachen wie zu hohe Insulingaben besser zu verstehen und den richtigen Umgang mit Hypoglykämien zu erlernen, werden Diabetiker:innen spezielle Schulungsprogramme empfohlen. Das Gegenteil einer Hypoglykämie ist eine Hyperglykämie (zu hoher Blutzuckerspiegel).

Im Durchschnitt kommt es bei Diabetes 1 bis 2 Mal pro Woche zu leichten Hypoglykämien, wobei am häufigsten Typ-1-Diabetiker:innen und mit Insulin behandelte Typ-2-Diabetiker:innen davon betroffen sind. Generell gilt, je länger die Erkrankung besteht und je älter die Betroffen:e ist, desto höher ist das Risiko für Unterzucker.

Von Hypoglykämie spricht man bei einem Blutzuckerwert von unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l). Sind die Faktoren, die den Blutzucker senken (Insulin, blutzuckersenkende Medikamente), stärker als jene Faktoren, die den Blutzucker erhöhen (Nahrung oder Zucker, der im Körper neu gebildet wird), kommt es zu einer Hypoglykämie.

Folgende Faktoren können eine Unterzuckerung verursachen:

  • Eine zu hohe Dosis von Insulin oder blutzuckersenkenden Medikamenten (Sulfonylharnstoffe, Glinide)
  • Das Auslassen einer Mahlzeit
  • Starke körperliche Belastung oder Sport bei gleichbleibender Insulin- oder Medikamentendosis
  • Ein zu langer Abstand zwischen Insulininjektion und Nahrungsaufnahme
  • Alkohol (v.a. am Abend kann zu Unterzucker in der Nacht führen!)
  • Magen-Darm-Infekte (Durchfall, Erbrechen)
  • Nierenerkrankungen
  • Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
  • Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung

Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung

Manche Diabetiker:innen können die ersten Anzeichen einer Unterzuckerung nicht mehr richtig oder nur noch eingeschränkt wahrnehmen. Diese Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörung kommt überwiegend bei Diabetiker:innen vor, die bereits häufig Unterzucker hatten. Dadurch sinkt die Schwelle, bei der jene Hormone freigesetzt werden, die der Unterzuckerung entgegenwirken sollen. In Folge werden auch die (vom Adrenalin ausgelösten) Warnsymptome gar nicht oder zu spät wahrgenommen. Diese Patient:innenen sind besonders häufig von schweren Hypoglykämien betroffen und daher auf fremde Hilfe angewiesen.

Nächtliche Hypoglykämien

Hypoglykämien können auch nachts auftreten, werden allerdings meistens nicht bemerkt und regelrecht "verschlafen". Ein durchnässter Schlafanzug, feuchte Bettwäsche, Schwindel oder das Gefühl, unausgeschlafen zu sein, könnten Anzeichen für nächtlichen Unterzucker sein. Bei Verdacht ist es ratsam, auch nachts etwa zwischen 2 und 3 Uhr den Blutzucker zu messen. In jedem Fall sollte mit der Ärzt:in darüber gesprochen werden, um die Ursachen zu finden und zum Beispiel durch eine Anpassung der Medikamentendosis Hypoglykämien in der Nacht zu vermeiden.

Die häufigsten Symptome können je nach Schweregrad des Unterzuckers vielfältig sein und lassen sich in zwei Gruppen unterteilen:

Hormonelle Symptome
  • Schwitzen, Schweißausbrüche
  • Zittern
  • Herzklopfen
  • Blässe
  • Kribbeln in den Fingern oder Lippen
  • Angstgefühle
  • Hungergefühle, Heißhunger
Symptome aufgrund von Zuckermangel im Gehirn
  • Bewegungsstörungen
  • Sprachstörungen
  • Störungen in der Wahrnehmung, z.B. Sehstörungen
  • Gefühlsstörungen: gereiztes, albernes oder aggressives Verhalten
  • Denkstörungen: schlechte Konzentration, Verwirrung, Gedächtnisstörungen
  • Albträume in der Nacht
  • Schwächegefühl, Müdigkeit

 

Bei häufigen schweren Unterzuckerungen ist es sinnvoll, Angehörige im Umgang damit zu schulen, insbesondere in der Anwendung von Glukagon-Spritzen. Bei niedrigen Blutzuckerwerten sind zuckerhaltige Getränke wie Fruchtsaft oder Limonade ideal. Auch Traubenzucker, Gummibärchen oder eine reife Banane können schnell wirken und den Blutzuckerspiegel wieder anheben. Damit der Blutzucker nicht weiter sinkt und zu einer lebensbedrohlichen Situation führt (diabetische Ketoazidose), muss bei den ersten Anzeichen einer Unterzuckerung rasch reagiert werden:

Akute Maßnahmen bei einer Hypoglykämie:

  • Bei einer Unterzuckerung sollten Betroffene sofort Kohlenhydrate zu sich nehmen, die schnell ins Blut gehen.
  • Wenn die Person noch bei Bewusstsein ist, geben Sie ihr so schnell wie möglich Traubenzucker oder ein zuckerhaltiges Getränk (keine Diät- oder Lightprodukte).
  • Bei Bewusstlosigkeit darf auf keinen Fall etwas in den Mund der Person eingeflößt werden. Es droht Erstickungsgefahr. Rufen Sie die Rettung an und drehen Sie die Person in die stabile Seitenlage. 
  • Falls die Patient:in ein "Glukagon-Notfallset" bei sich trägt, kann eine Glukagon-Spritze oder ein Glukagon-Nasenspray angewendet werden.
  • Nach den schnell wirkenden Kohlenhydraten können zusätzlich noch langsam ins Blut übergehende Kohlenhydrate gegessen werden, etwa eine Scheibe Brot oder ein Müsliriegel. Dies kann helfen, den Blutzuckerspiegel über einen längeren Zeitraum stabil zu halten eine erneute Unterzuckerung zu vermeiden.

Hinweis:

  • Fetthaltige Nahrungsmittel, zum Beispiel Schokolade, eignen sich bei einer Unterzuckerung als Erstmaßnahme nicht. Der hohe Fettgehalt verlangsamt die Wirkung der Kohlenhydrate.
  • Bewusstlosigkeit bei Diabetiker:innen kann sowohl durch Unterzucker als auch durch Überzucker (ketoazidotisches Koma, diabetisches Koma) ausgelöst werden. Unterzucker ist jedoch gefährlicher, deshalb sollte im Zweifel immer Zucker und niemals Insulin verabreicht werden!

Typische Symptome und die Krankengeschichte der Patient:in (Anamnese) deuten auf eine Unterzuckerung hin.

Um eine Hypoglykämie eindeutig zu diagnostizieren, wird festgestellt, ob folgende drei Punkte zutreffen:

Blutzuckerspiegel unter 50 mg/dl (2,8 mmol/l)
Symptome 
  • Zittern
  • Schwitzen
  • Herzklopfen
  • Heißhunger
  • Gesichtsblässe
  • Sprach- und Sehstörungen
  • Unruhe, Nervosität
  • Schwindel, Verwirrtheit
  • Krämpfe
  • Bewusstlosigkeit
Aufnahme von Zucker (Glukose) Symptome werden beseitigt

 

Neben den erwähnten Sofortmaßnahmen in der akuten Situation der Unterzuckerung sollte nach gehäuftem Auftreten von Hypoglykämien nach den Ursachen geforscht werden. Häufig werden Behandlungsfehler, eine Änderung der medikamentösen Therapie oder besondere Lebensumstände festgestellt, die zu der Unterzuckerung geführt haben könnten und die in Zukunft vermieden werden können.

Es ist daher unbedingt notwendig, dass die behandelnde Ärzt:in die Patient:in ausreichend informiert und im Idealfall eine Diabetikerschulung empfiehlt.

Diabetiker:innen, die häufig an Unterzucker leiden, sollten:

  • Regelmäßig den Blutzuckerspiegel messen.
  • Besser kleine Portionen über den Tag verteilt essen als wenige große Mahlzeiten.
  • Immer ein "Notfall-Päckchen" einpacken und zuckerreiche Nahrungsmittel mitnehmen.
  • Den Alkoholkonsum reduzieren oder ganz vermeiden.
  • Nahrungsaufnahme und Insulindosis vor dem Sport anpassen.
  • Eine Umstellung der Insulintherapie oder Änderung der Insulindosis immer nach ärztlicher Rücksprache.
  • Die Nutzung eines CGM (kontinuierliche Glukosemessung) mit Alarmfunktion.
  • Eine Diabetikerschulung besuchen, um die Therapie richtig anzuwenden.

Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Medizinisches Review:
Zuletzt aktualisiert:

29. Mai 2024

Erstellt am:

9. August 2017

Stand der medizinischen Information:

2. November 2022


ICD-Code:
  • E16

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