Zu beachten ist zuerst einmal, dass Schwindel – in der Fachsprache auch als Vertigo bezeichnet – kein eigenständiges Krankheitsbild darstellt, sondern ein Symptom, das aufgrund anderweitiger Störungen innerhalb des Körpers entsteht. Darum ist es wichtig, gemeinsam mit dem Arzt nach der zugrundeliegenden Ursache zu suchen, wenn sich die Umgebung z. B. zu drehen beginnt oder wie auf einem Schiff schwankt.
Zwischen 20 und 30 % der Österreicher haben im Lauf ihres Lebens zumindest einmal mit starken Schwindelsymptomen zu kämpfen. Mit zunehmendem Alter werden die Beschwerden häufiger: Etwa 50 % der Betroffenen, die sich mit ihrem Problem an den Hausarzt wenden, sind über 70 Jahre alt.
Schwindel kann durch Störungen in verschiedenen Systemen entstehen, die üblicherweise Aufschluss darüber geben, ob man liegt, steht, sitzt oder sich bewegt. Dazu gehören:
- Augen,
- vestibuläres System: einerseits zählen dazu das Gleichgewichtsorgan (Vestibularorgan) und der Hirnnerv, der dieses versorgt (peripheres vestibuläres System); andererseits der Hirnstamm, das Kleinhirn und die Hirnrinde (zentrales vestibuläres System),
- Herz-Kreislauf-System bzw. Durchblutung,
- Psyche
- und auch u. a. Muskeln und Haut, die über die sogenannte Propriozeption Informationen über die Lageorientierung an das Gehirn liefern.
Passen die Informationen aus den unterschiedlichen Systemen nicht (mehr) zusammen, entsteht Schwindel als Symptom. In manchen Fällen ist die Störung auf ein einzelnes System begrenzt, z. B. beim gutartigen Lagerungsschwindel, wo nur die Bogengänge im Vestibularorgan betroffen sind. Mit zunehmendem Alter kommt es aber oftmals zu einer Störung in mehreren Bereichen: Man sieht nicht mehr so gut, die Durchblutung ist schlechter, eventuell auch die Wahrnehmung in den Füßen (z. B. durch einen diabetischen Fuß) und mitunter spielt auch die Psyche eine Rolle, etwa die Angst davor, zu stürzen – dies erklärt, warum Schwindel im Alter häufiger auftritt.
Arten von Schwindel
In der Medizin werden verschiedene Arten von Schwindelgefühlen unterschieden. Zu den verbreitetsten davon zählen:
- Gerichteter Schwindel: Drehschwindel (als ob man Karussell fahren würde), Zugtendenz auf eine bestimmte Seite
- Ungerichteter Schwindel: Benommenheit (wenn einem "schwummrig" wird), Gangunsicherheit (das Gefühl, nicht sicher auf den Beinen zu sein), Schwankschwindel (als ob man auf einem Schiff wäre)
Beim Arztbesuch ist es wichtig, genau zu beschreiben, wie sich der Schwindel anfühlt, wie lang er üblicherweise andauert und in welchen Situationen er für gewöhnlich auftritt.
Akute und chronische Verläufe
Tritt der Schwindel plötzlich (und anhaltend) auf, sollte sofort ein Krankenhaus aufgesucht werden: es könnte sich z. B. um einen Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen oder eine Blutdruckkrise handeln. Hier sollten Betroffene bzw. deren Angehörige auch auf Begleitsymptome achten, die für diese Notfälle typisch sind: etwa Herzrasen, Sprach- und Schluckstörungen oder eine Gangunsicherheit.
Bei anderen Schwindelformen, die wiederholt nur in bestimmten Situationen auftreten (etwa beim Aufstehen oder bei einer sonstigen Lageänderung des Körpers) oder z. B. in Menschenmengen (was auf eine Beteiligung der Psyche hinweisen könnte), ist die Abklärung nicht ganz so dringlich, sollte aber trotzdem nicht auf die lange Bank geschoben werden. Denn je länger das Symptom anhält, desto eher kann es zu einem chronischen Verlauf kommen. Von einem solchen spricht man dann, wenn der Schwindel über mindestens drei Monate hinweg an den meisten Tagen auftritt. Grunderkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nervenschädigungen oder Verletzungen im Bereich der Halswirbelsäule bzw. des Rückenmarks können u. a. zu chronischem Schwindel bzw. Gangunsicherheit führen.
Um die Schwindelbeschwerden einem spezifischen Krankheitsbild zuordnen zu können, ist wie bereits erwähnt eine genaue Beschreibung des Schwindels und der begleitenden Symptome notwendig. Zudem wird gemeinsam abgewogen, ob gewisse Grunderkrankungen wie Herzkrankheiten, Diabetes oder Augenprobleme eine Rolle spielen könnten. Auch diverse Medikamente können zum Entstehen von Schwindelsymptomen beitragen, etwa bestimmte Schlafmittel (vor allem Benzodiazepine) oder einige Blutdruckmedikamente (Antihypertensiva).
Allgemeine Untersuchungen
Im Rahmen der Basisuntersuchung werden z. B. Puls und Blutdruck überprüft. Außerdem wird ein neurologischer Status erhoben, wo u. a. die Gleichgewichtsreflexe, die Koordination und die Sensibilität überprüft werden. Bei Verdacht auf eine Störung im jeweiligen System kann der Arzt auch das Hörvermögen genauer untersuchen, ein EKG oder ein bildgebendes Verfahren z. B. im Kopf- und Halswirbelsäulenbereich anordnen.
Spezifische Untersuchungen
Daneben gibt es ganz spezifische Tests, die zur Abklärung von Schwindel eingesetzt werden, u. a.:
-
Kopfimpulstest: Mit diesem Test, bei dem die kompensatorischen (ausgleichenden) Augenbewegungen nach einer raschen Drehung des Kopfes beobachtet werden, können Störungen des Vestibularorgans diagnostiziert werden, etwa die Entzündung des Nervs, der das Organ versorgt (Neuritis vestibularis).
-
Nystagmus: Dabei handelt es sich um ganz charakteristische Augenbewegungen – eine Art wiederholtes Zucken in eine bestimmte Richtung – aus der Ärzte auf die Ursache des Schwindels schließen können. Diese Augenbewegungen stehen ebenfalls in Zusammenhang mit Störungen des peripheren (z. B. gutartiger Lagerungsschwindel, Neuritis vestibularis) bzw. des zentralen vestibulären Systems (z. B. Schädigungen im Bereich des Hirnstamms oder Kleinhirns).
Beispiele für Schwindel auslösende Erkrankungen
Übersichtsmäßig sind hier einige Schwindelarten dargestellt sowie typische Krankheitsbilder, die sich dahinter verbergen können:
Schwindelart | Erkrankungen (Beispiele) |
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Drehschwindel |
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Schwankschwindel |
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Ungerichteter Schwindel (Benommenheit, Gangunsicherheit) |
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Die Behandlung der Schwindelbeschwerden richtet sich ganz nach deren Ursache. Akut und anhaltend auftretende Schwindelformen müssen wie oben beschrieben rasch im Krankenhaus behandelt werden. Daneben gibt es folgende wichtige Behandlungsmaßnahmen:
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Medikamente: Diverse Arzneimittel können die Symptome kurzfristig unterdrücken. Diese Schwindelmedikamente (Antivertiginosa) sind aber nicht für den Langzeitgebrauch geeignet, da sie die Ursache des Problems nicht beheben. Dazu zählen etwa sedierende Antihistaminika, die Übelkeit und Erbrechen unterdrücken. Zur Wirksamkeit von Betahistin für die Behandlung des Morbus Menière liegen bis dato keine gesicherten Studien vor.
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Nebenwirkungen beachten: Eingenommene Medikamente, die dafür bekannt sind, dass sie zu Schwindel führen, sollen gemeinsam mit dem Arzt nach Möglichkeit durch Medikamente ohne diese Nebenwirkungen ersetzt werden.
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Lagerungsmanöver: Für den sehr häufig auftretenden gutartigen Lagerungsschwindel sind kleine Kristalle verantwortlich, die sich in den Bogengängen des Gleichgewichtsorgans bewegen und so zur Schwindelsymptomatik führen. Diese Kristalle können mittels bestimmter Bewegungsabfolgen wieder "reponiert" werden, wodurch sich die Beschwerden legen.
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Balancetraining: Gangunsicherheit und auch eine altersbedingte Angst vor Stürzen können mittels physiotherapeutischer Übungen gelindert werden, indem das Halten des Gleichgewichts, die beteiligte Muskulatur sowie bestimmte Bewegungsabläufe gezielt trainiert werden. Ein vestibuläres Balancetraining nach Neuritis vestibularis trägt ebenso zur rascheren Kompensation bei.
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Psychotherapie: Psychogener Schwindel stellt die zweithäufigste Schwindelform nach dem gutartigen Lagerungsschwindel dar. Der Arzt wird in diesem Fall eine Psychoedukation durchführen, wo der Betroffene aufgeklärt wird, warum der Schwindel auftritt; zusätzlich sollte er eine Psychotherapie in Anspruch nehmen, z. B. Verhaltenstherapie oder psychodynamische Therapieformen. Reicht dies nicht aus um die Beschwerden zu lindern, können auch Psychopharmaka zum Einsatz kommen. Psychogener Schwindel steht auch oft in Zusammenhang mit einer Depression.
Werden physiotherapeutische Übungen zur Verbesserung des Schwindels bzw. der Gangunsicherheit angeordnet, sollten diese zuhause gewissenhaft durchgeführt werden.
Treten Schwindelsymptome auf, gibt es mehrere Anlaufstellen, wo Betroffenen weitergeholfen werden kann. Besteht keine akute Gefährdung (siehe oben), verweist der Hausarzt je nach Symptomatik an einen HNO-Arzt und/oder einen Neurologen. Bei akuten Beschwerden sollte eine HNO- bzw. neurologische Ambulanz aufgesucht werden. Zudem gibt es in Österreich einige spezialisierte Schwindelambulanzen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Spezialambulanz für Schwindel und Gleichgewichtsstörungen am AKH Wien
- Schwindelzentrum St. Pölten
- Schwindelambulanz am LKH Villach
- Schwindelzentrum Graz
- Schwindelambulanz am Konventhospital der Barmherzigen Brüder Linz
- Schwindelzentrum der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Innsbruck