Das Trockene Auge (Sicca-Syndrom) hat unterschiedliche Ursachen: Neben einer zu geringen Produktion kann eine erhöhte Verdunstung der Tränenflüssigkeit des Auges ursächlich für die Erkrankung sein. Jeder dieser Entstehungsgründe hat eigene Auslöser, wie z.B. Belastungen durch intensive Bildschirmarbeit im Büro, das Tragen von Kontaktlinsen oder Erkrankungen wie die chronische Polyarthritis und Diabetes. Die Diagnose des Trockenen Auges erfolgt mit Hilfe der Spaltlampenuntersuchung, des Schirmer-Tests oder der Tränenfilmaufreißzeit (BUT). Diese Erkrankung kann nicht geheilt werden, verschiedene Therapien, z.B. spezielle Augentropfen, können die Beschwerden lindern.
- Trockene Augen (Sicca-Syndrom) sind weltweit das häufigste medizinische Augenproblem.
- Risikofaktoren sind unter anderem regelmäßige sehr lange Bildschirmarbeit, Kontaktlinsen und bestimmte Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus.
- Neben der Trockenheit zählen auch Brennen, Jucken und Lichtempfindlichkeit zu den möglichen Symptomen eines Sicca-Syndroms.
- Die Behandlung richtet sich nach der genauen Ursache. Tränenersatzmittel, in Form von Augentropfen oder Gelen, kommen in der Therapie am häufigsten zum Einsatz.
Das Sicca-Syndrom ist die weltweit am häufigsten auftretende Augenerkrankung. Bei jedem 2. bis 5. Patienten, der einen Augenarzt aufsucht, wird ein Trockenes Auge diagnostiziert. Die Zahl der Betroffenen steigt: In den letzten 20 Jahren hat sich die Summe an Neuerkrankungen deutlich erhöht. Am häufigsten sind Frauen betroffen. Bei Patienten mit Erkrankungen wie chronischer Polyarthritis oder Diabetes kann das Sicca-Syndrom auftreten. Durch negative äußere Faktoren kann ein Trockenes Auge ebenfalls ausgelöst werden. Wissenschaftler sehen dahinter die Einflüsse der veränderten Umweltbedingungen auf das menschliche Auge. Oxidativer Stress, der durch eine Kombination aus UV-Licht, Autoabgasen und Ozon entsteht, belastet die Augen mit freien Radikalen. Diese schaden dem Tränenfilm, trockene Stellen bilden sich, das Auge tränt verstärkt.
Menschen, die Kontaktlinsen tragen, gehören ebenfalls zur Risikogruppe für ein Trockenes Auge. 50 bis 70 % der Kontaktlinsenträger haben mit dem Sicca-Syndrom zu kämpfen.
Die Gründe für eine Entstehung des Trockenen Auges lassen sich in 2 Hauptmechanismen gliedern:
- Zu geringe Produktion von Tränenflüssigkeit
- Erhöhte Verdunstung der Tränenflüssigkeit
Dabei gibt es viele Entstehungsgründe. Eine erhöhte Verdunstung kann z.B. durch eine veränderte Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit oder durch zu seltenes Blinzeln auftreten.
Allen Ursachen gemeinsam ist, dass der Tränenfilm beschädigt wird und das sensible Organ somit der Umgebung schutzlos ausgesetzt ist. In der Folge entsteht eine Entzündung an der Augenoberfläche, die oft nur unterschwellig vorhanden ist, aber dennoch den negativen Kreislauf dieser Erkrankung verstärken und aufrechterhalten kann.
Die Beschwerden bei Patienten mit Sicca-Syndrom sind oft sehr unterschiedlich. So kann es trotz der Krankheit des Trockenen Auges auch zu vermehrter Produktion von Tränenflüssigkeit kommen. Nicht alle Betroffenen weisen alle Symptome auf, am häufigsten sind aber folgende:
- Trockenheit
- Brennen
- Fremdkörpergefühl
- Druckgefühl in den Augen
- Jucken
- Schmerzen
- Vermehrtes Tränen der Augen
- Lichtempfindlichkeit
- Verschwommenes Sehen
- Sehverschlechterung
- Rötungen des Lidrandes
- Sekretbildung vor allem morgens, verklebte Augen
Die Erkrankung lässt sich mit Hilfe von diversen diagnostischen Maßnahmen in unterschiedliche Stufen oder Verlaufsformen gliedern:
Leicht ausgeprägtes Sicca-Syndrom
Das leicht ausgeprägte Sicca-Syndrom tritt z.B. bei langem Arbeiten vor dem PC auf: Trockenes Gefühl, Rötung, juckende und brennende Augen, gelegentlich verschwommenes Sehen, Fremdkörpergefühl, nach Erholung Verbesserung der Beschwerden.
Schwer ausgeprägtes Sicca-Syndrom
Das schwer ausgeprägte Sicca-Syndrom kann z.B. als Folge von rheumatischen Erkrankungen oder durch die Einnahme bestimmter Medikamente entstehen und sich so äußern: Schmerzen im Auge, Sehverschlechterung, Druckgefühl, verklebte Augen, starkes Fremdkörpergefühl, Einschränkung der Leistungsfähigkeit
Alter und Hormone
Die verminderte Produktion von Tränenflüssigkeit ist ein natürlicher Prozess des Alterns. Daneben ist auch der Hormonhaushalt der Frau ein Risikofaktor für die Entwicklung dieser Augenerkrankung. Frauen sind generell stärker vom Trockenen Auge betroffen als Männer. Das liegt an den weiblichen Hormonen, welche die einzelnen Komponenten der Tränenflüssigkeit in der Sekretion beeinträchtigen. Hauptsächlich ist das in der Schwangerschaft und den Wechseljahren der Fall, wo dem weiblichen Körper weniger männliche Hormone (Androgene) zur Verfügung stehen und somit das Sicca-Syndrom begünstigt wird.
Einfluss der Ernährung
Auch bei einem Mangel an Vitaminen und Nährstoffen kann als Folge ein Trockenes Auge entstehen. Ein Defizit an Vitamin A (z.B. In Karotten und Hühnerleber enthalten) stört die Zellen der Augenoberfläche, die sogenannten Becherzellen. Daraus kann sich wiederum ein Mangel an Muzin einstellen, der wichtig für die Struktur des Tränenfilms ist.
Muzin sorgt für die "schleimige" Konsistenz des Schutzmantels des Augapfels, ohne die Substanz gibt es trockene Stellen auf der Hornhaut. Vitamin-A-Mangel kommt eher in Entwicklungsländern vor, wo viele Menschen an Unterernährung leiden. Aber auch bei bestimmten Darm- oder Lebererkrankungen (wie Morbus Crohn oder Leberschäden durch Alkoholmissbrauch) und sehr einseitiger Ernährung (z.B. vorwiegend Teigwaren, wie Nudeln) kann es zu einer Unterversorgung kommen. Eine mangelnde Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren kann ebenfalls das Sicca-Syndrom begünstigen.
Kontaktlinsen und Medikamente
Viele Kontaktlinsenträger kennen das Problem: In beheizten Innenräumen oder verrauchten Lokalen brennen und jucken die Augen. Das liegt daran, dass beim Tragen der Kontaktlinsen mehr Tränenflüssigkeit verdunstet und durch eine verminderte Empfindlichkeit der Hornhaut auch weniger davon produziert wird. Auch die Anwendung von Augentropfen, z.B. zur Behandlung eines Glaukoms (Grüner Star) kann den Tränenfilm und die Augenoberfläche belasten und zum Sicca-Syndrom führen. Die Einnahme bestimmter Medikamente, wie von Entwässerungsmitteln (Diuretika), Antidepressiva, Antihistaminika oder Betablockern, kann ebenso an der Entwicklung des Trockenen Auges mitbeteiligt sein.
Trockenes Auge als Begleiterscheinung von Krankheiten
Das Sicca-Syndrom tritt als Folge verschiedener Erkrankungen auf, vorrangig bei:
- Erkrankungen der Augenoberfläche: Nach Verbrennungen, Verätzungen oder anderen Verletzungen des Auges, kann die starke Veränderung der Augenoberfläche dazu führen, dass nicht mehr ausreichend Flüssigkeit gebildet werden kann und der Tränenfilm instabil wird.
- Erkrankungen des Lids: Wenn Lidfehlstellungen oder Nervenlähmungen vorliegen, wie z.B. nach einem Schlaganfall, können die Lider die Tränenflüssigkeit oft nicht mehr richtig verteilen, die "Scheibenwischerfunktion" ist gestört. Auch bei Entzündungen des Lids kann es zum Trockenen Auge kommen.
- Diabetes: Durch Diabetes Typ 1 und Diabetes Typ 2 können Nervenfasern auf der Hornhaut Schaden nehmen. Die Reizweiterleitung im Auge ist dann verlangsamt, die Tränendrüsen werden nicht ausreichend zur Sekretbildung angeregt.
- Parkinson: Parkinson-Erkrankte blinzeln häufig zu wenig. Durch den verminderten Lidschlag kommt es bei sehr vielen Patienten zu einem instabilen Tränenfilm und somit zu Beschwerden des Sicca-Syndroms.
- Allergisch bedingte Augenerkrankungen: Bindehautentzündungen, die z.B. durch Pollenbelastung auftreten, können das Trockene Auge auslösen, indem sie den Aufbau des Tränenfilms stören.
- Autoimmunerkrankungen: Hierzu zählen das Sjögren-Syndrom (oft schwer verlaufende Krankheit, bei der eine Schädigung der Tränen- und Speicheldrüsen auftritt), rheumatische Arthritis, Sklerodermie (Bindegewebsverhärtung der Haut) und der Lupus erythematodes, eine seltene Immunerkrankung, bei der das Immunsystem sich selbst angreift und unter anderem auch die Augen Schaden nehmen.
- Schilddrüsenerkrankung: Bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) des Typs Basedow kann es zu einem Hervortreten der Augäpfel kommen. Ein größerer Teil der Augenoberfläche ist der Luft ausgesetzt, so verdunstet mehr Tränenflüssigkeit und ein Trockenes Auge tritt auf.
Operative Eingriffe
Nach chirurgischen Eingriffen zur Korrektur von Fehlsichtigkeit oder nach Kataraktoperationen können durch die Unterbrechung der sensiblen Innervation der Hornhaut Beschwerden des Trockenen Auges auftreten.
Das Sicca-Syndrom ist eine chronische Augenkrankheit, die langfristig behandelt werden muss. Die durch die Erkrankung bedingten Beschwerden beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten, auch die Arbeitsleistung kann durch die Symptome eingeschränkt sein. Menschen, die zusätzlich viel am Computer arbeiten oder negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, haben es besonders schwer, da durch diese Umstände das Trockene Auge verschlimmert werden kann.
Schleichende Entwicklung
Die Krankheit ist durch eine schleichende Entwicklung gekennzeichnet: Zuerst gibt es keine wirkliche Wahrnehmung von Symptomen, die Betroffenen haben Missempfindungen in belastenden Situationen, wie z.B. in verrauchten Räumen. Diese verschwinden dann wieder, die Erkrankung bleibt aber unterschwellig bestehen, das bedeutet, dass die Patienten die Erkrankung immer noch haben, aber für einen gewissen Zeitraum symptomfrei sind. Im weiteren Verlauf erleben sie permanente Beschwerden und sind zunehmend beeinträchtigt. Dauerhafte Schmerzen bis zur Unfähigkeit gut zu sehen oder alltägliche Situationen zu bewältigen beschreiben schließlich das Trockene Auge in seiner am stärksten ausgeprägten Form.
Nach einem intensiven Patientengespräch, bei dem der Augenarzt die individuellen Ursachen und Auslöser des Trockenen Auges zusammen mit dem Betroffenen erörtert, gibt es unterschiedliche Untersuchungen, die bei der Diagnose des Sicca-Syndroms angewendet werden:
- Spaltlampenuntersuchung: Mit der Spaltlampenuntersuchung kann sich der Arzt einen Überblick über den Zustand des äußeren Auges verschaffen. Der Tränenfilm, die Lider, die Bindehaut und die Hornhaut werden überprüft. Hinweise auf das Sicca-Syndrom sind z.B. Schleimfäden, schaumiges Sekret und Rötungen.
- Schirmer-Test: Mithilfe des Schirmer-Tests kann die vorhandene Menge der Tränenflüssigkeit ermittelt werden. Dabei hängt der Arzt einen dünnen Papierstreifen am Unterlid ein, der die Flüssigkeit aufsaugt und so anzeigt, wie viel davon im Auge produziert wird.
- Tränenfilmaufreißzeit: Die Tränenfilmaufreißzeit ermöglicht die Beurteilung der Stabilität des Tränenfilms. Diese kann bei allen Formen des Trockenen Auges reduziert sein. Der Arzt bringt den leuchtenden Farbstoff Fluoreszein in den Bindehautsack ein und sieht dadurch, wann nach dem Blinzeln Lücken im Tränenfilm entstehen.
Um das Sicca-Syndrom wirksam behandeln zu können, ist es besonders wichtig, die Ursache für seine Entstehung herauszufinden und zu therapieren. Es sollte auch die Psyche der Patienten beachtet werden, da Betroffene häufig an depressiven Verstimmungen aufgrund der eingeschränkten Lebensqualität leiden. Folgende Therapieformen kommen bei der Behandlung der chronischen Erkrankung zum Einsatz:
Substitutionstherapie
Die Behandlung mit Tränenersatzmitteln ist die häufigste Therapiewahl beim Sicca-Syndrom. Die Augentropfen oder Gele sind je nach Bedarf unterschiedlich zusammengesetzt. Präparate mit zusätzlichen Lipidkomponenten sind besonders bei Patienten mit geringem Fettanteil des Tränenfilms wirksam. Dies kann nach einer gründlichen Diagnose und Einschätzung des Arztes festgestellt werden.
Da es sich beim Trockenen Auge um eine chronische Erkrankung handelt, ist darauf zu achten, dass unkonservierte Benetzungsmittel zum Einsatz kommen, da Konservierungsmittel über längere Zeit eine toxische Wirkung auf den Tränenfilm und die Augenoberfläche ausüben.
Eigenserum-Augentropfen
Das Serum wird aus dem Blut gewonnen und ist in seiner Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit sehr ähnlich. Eingetropft ist es besonders für Patienten gedacht, die künstliche Präparate nicht vertragen, bzw. eine ausgeprägte Augenoberflächenschädigung aufweisen. Achtung: Bei Augentropfen muss man das Ablaufdatum ernst nehmen, abgelaufene Tropfen sollten nicht mehr verwendet werden. Die Tropfen sollte man immer bei sich tragen – häufig spüren Betroffene am Morgen noch nichts von einem Trockenen Auge, das sich erst tagsüber einstellt
Cyclosporin-A
Der Wirkstoff, der ursprünglich nur bei Patienten nach Organtransplantationen eingesetzt wurde, hat eine entzündungshemmende Wirkung und damit einen positiven Effekt auf die Tränenproduktion und verbessert die Symptome des Trockenen Auges maßgeblich.
Antioxidative Therapie
Bei dieser Methode wird der Radikalfänger Iodid auf die Augenoberfläche gebracht (Besprühungen, Iontophorese), der die Augen vor oxidativem Stress (durch Abgase, UV-Licht etc.) schützen kann.
Lidrandmassage und Lidhygiene
Diese Therapie wird bei einer Fehlfunktion der Meibom-Drüsen (Talgdrüsen der Augenlider) angewandt und lindert die Symptome des Trockenen Auges.
Punctum-Plugs
Dabei handelt es sich um winzige Stöpsel, die in die Tränenpünktchen beider Augen eingesetzt werden. Dadurch kann die Tränenflüssigkeit nicht so schnell abfließen und das Auge wird länger befeuchtet.
Akupunktur
Für Patienten, bei denen das Trockene Auge psychisch, arbeits- oder wetterbedingt auftritt, hilft die Therapie mit Akupunktur besonders bei der Linderung der Symptome.
Risikofaktor Kontaktlinsen?
Da die Kontaktlinse an der Augenoberfläche sitzt, kann sie den Tränenhaushalt verändern. Hier ist ein Tränenersatzmittel speziell für Kontaktlinsenträger nötig. Bei schwererer Symptomatik kann es auch notwendig werden, zeitweise auf die Linsen zu verzichten.
Um die Beschwerden des Trockenen Auges zu lindern, gibt es einige Tipps, die Sie im Alltag umsetzen können:
- Für genügend Luftfeuchtigkeit in Wohnung und Haus sorgen (Luftbefeuchter aufstellen, mehrmals täglich lüften)
- Klimaanlagen meiden
- Viel Zeit an der frischen Luft verbringen
- Im Auto das Gebläse nicht direkt ins Gesicht richten
- Augen vor Wind und Zugluft schützen
- Zigarettenkonsum einschränken oder bestenfalls ganz verzichten
- Aufenthalt in verrauchten Räumen vermeiden
- Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten (zirka 2 Liter täglich)
- Ausgewogene Ernährung mit vielen Vitaminen (Vitamin A) und Lebensmitteln mit Omega-3-Fettsäuren berücksichtigen
- Brille statt Kontaktlinsen, da letztere das Auge oft zusätzlich austrocknen
- Bei Bildschirmarbeit genügend Pausen einlegen
Auch Wind sowie prinzipiell eine niedrige Luftfeuchtigkeit begünstigen ein Trockenes Auge. In Wüstenstaaten, wie z. B. den Vereinigten Arabischen Emiraten, liegt die Zahl der Betroffenen deutlich über 20 %.
- Interview mit Ass.-Prof. Dr. univ. med. Johannes Nepp
- Mein Auge. Erkrankungen, Behandlungen, Informationen, A. Wedrich (Hrsg.) et.al., Verlagshaus der Ärzte, Wien, 2010
- Dr. D. Stakne, Optimierung des Therapieerfolgs verschiedener Patientengruppen mit Trockenem Auge, Universität Graz, 2009
- Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V und Deutsche ophthalmologische Gesellschaft e.V.: Leitlinie 11: "Trockenes Auge" (Sicca-Syndrom) und Blepharitis, 2011