Ärzte unterscheiden zwischen einem "unblutigen" (ischämischen) und "blutigen" (hämorrhagischen) Schlaganfall. Im ersten Fall kommt es zu einem Verschluss einer oder mehrerer Hirnarterien, im zweiten Fall zu einer Blutung durch ein geplatztes Gefäß. Ein Schlaganfall ist eine absolute Notfallsituation und muss schnellstmöglich behandelt werden – im Idealfall innerhalb von 4,5 Stunden. Dadurch lassen sich schwere Folgeschäden wie z.B. Lähmungen der Gliedmaßen, Sprachstörungen, Gedächtnisstörungen gering halten oder sogar verhindern. Alle 20 Minuten erleidet ein Mensch in Österreich einen Schlaganfall, im Jahr sind es ungefähr 24.000 Personen. Durch Behandlung der Risikofaktoren könnte jeder zweite Schlaganfall verhindert werden.
Schlaganfall ist nach Herzinfarkt und Krebserkrankungen die dritthäufigste Todesursache in Österreich, jährlich sind rund 24.000 Personen von einem Insult betroffen – meist sind es ältere Menschen über 75 Jahre, Männer trifft er gleich häufig wie Frauen. Ab dem 55. Lebensjahr verdoppelt sich die Schlaganfallhäufigkeit mit jedem Lebensjahrzehnt.
Aber auch Jüngere bis 45 Jahre werden immer häufiger Schlaganfallpatienten, bedingt durch Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen und Übergewicht.
Video: Schlaganfall: Ein Notfall! Was passiert? Was kann ich tun?
Prim. Priv.-Doz. Dr. Tim J. von Oertzen, FRCP, FEAN (Vorstand der Klinik für Neurologie 1 am Neuromed Campus, Kepler Universitätsklinikum in Linz) erklärt, was ein Schlaganfall ist, wie man ihn erkennt und was man im Notfall tun kann. Er klärt darüber auf, was die Aufgaben einer Stroke Unit sind und wie die Reha nach einem Schlaganfall aussieht.
Die Früherkennung und Behandlung folgender Risikofaktoren könnten jeden zweiten Schlaganfall verhindern:
- hoher Blutdruck
- Rauchen
- Diabetes mellitus
- erhöhte Blutfettwerte (insbes. das LDL-Cholesterin)
- Übergewicht (Adipositas)
- übermäßiger Alkoholkonsum
- die Herzrhythmusstörung (Vorhofflimmern)
- eine Verengung der Halsschlagader
Ungefähr die Hälfte aller Schlaganfälle wird durch hohen Blutdruck in Verbindung mit arteriosklerotischen Gefäßablagerungen verursacht. 5.000 der jährlich 24.000 Schlaganfälle in Österreich sind auf Vorhofflimmern zurückzuführen.
Ein Schlaganfall wird durch
- eine plötzlich auftretende Durchblutungsstörung im Gehirn (Hirninfarkt) (85 - 90 % aller Fälle) oder
- eine Hirnblutung ausgelöst (10 - 15 % aller Fälle).
Ursache für einen Hirninfarkt ("unblutiger" / ischämischer Schlaganfall) ist der Verschluss einer Hirnarterie. Zumeist handelt es sich hier um einen akuten Verschluss auf Basis von arteriosklerotischen Verengungen oder durch ein verschlepptes Blutgerinnsel irgendwo aus dem Bereich der Halsschlagadern oder dem Herzen. Die Folgen: Das betroffene Gehirnareal wird nicht mehr richtig durchblutet, die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen ist unzureichend, Nervenzellen sterben ab. Dies führt zu entsprechenden Funktionsausfällen am Körper.
Bei der Hirnblutung ("blutiger" / hämorrhagischer Schlaganfall) führt ein geplatztes Gefäß durch das austretende Blut zur Zerstörung von Gehirngewebe. Dies geschieht z.B. durch extrem hohen Blutdruck oder durch "Platzen" einer angeborenen/erworbenen Gefäßerweiterung im Gehirn ("Aneurysma"), die dem Blutdruck nicht mehr standhält.
Dauert ein Schlaganfall weniger als 24 Stunden, spricht man von der sogenannten Transitorischen Ischämischen Attacke (TIA), umgangssprachlich "Schlagerl". Es kommt dabei zu einer kurzfristigen Durchblutungsstörung des Gehirns mit Ausfallserscheinungen, die im Schnitt bis zu 10 Minuten lang andauern.
Die Symptome reichen von
- Sehverlust
- über Unvermögen, Worte zu formulieren,
- bis zu Kraftverlust oder Taubheit in einem Arm oder Bein,
- hängendem Mundwinkel und
- Schwankschwindel mit Gangunsicherheit.
Selbst wenn die Beschwerden binnen Minuten wieder aufhören, ist diese Situation ein Notfall. Die Betroffenen müssen ehestmöglich in ärztliche Behandlung! Denn Menschen mit kurzdauernden neurologischen Symptomen haben ein sehr hohes Risiko, innerhalb weniger Wochen einen schweren Schlaganfall zu erleiden. Etwa jeder dritte Schlaganfall kündigt sich durch solch eine flüchtige Mangeldurchblutung an.
Der Arzt wird die neurologischen Funktionen testen und feststellen, ob körperliche Ausfälle bestehen.
Mit Hilfe einer Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) lässt sich feststellen, ob ein ischämischer Insult oder eine Gehirnblutung vorliegt. Die großen hirnversorgenden Gefäße lassen sich mit Hilfe einer Doppler- bzw. Duplexsonografie untersuchen. Damit können die Stadien der Verengung der Halsschlagadern festgestellt werden.
Eine Röntgenkontrastuntersuchung (Angiographie) kommt bei Verdacht auf eine Aneurysmablutung zum Einsatz. Ein Katheter wird von der Leiste bis in die Halsschlagader vorgeschoben und ein Kontrastmittel eingespritzt. Mit Hilfe von Röntgenaufnahmen können Gefäßmissbildungen geortet werden.
Dazu zählen:
- Schwäche bzw. Lähmung im Gesicht, Arm, Bein oder in einer ganzen Körperhälfte: Sie äußert sich in Form eines hängenden Mundwinkels, weiters können Gegenstände aus der kraftlosen Hand fallen, auch kraftloses Einknicken beim Gehen ist typisch.
- Taubheitsgefühl im Gesicht, Arm, Bein oder in einer ganzen Körperhälfte: Auf einer Körperseite kommt es zu einem tauben Gefühl, auch hier werden meist zwei oder drei Körperregionen miteinbezogen. Arm und Bein fühlen sich taub an, wie nach einer Injektion beim Zahnarzt. Man ist nicht in der Lage, Gegenstände zu fassen. Beim Versuch, zu trinken, kann Flüssigkeit aus dem Mundwinkel rinnen.
- Störung des Sehvermögens: Sollte eine verengte Halsschlagader Ursache sein, kommt es zu einem zumeist kompletten Sehverlust auf nur einem (!) Auge der betroffenen Seite. Das betroffene Auge sieht nur verschwommen oder "schwarz". Hierbei handelt es sich um einen typischen Schlaganfall-Vorboten. Ist ein Gefäß im Sehzentrum des Gehirns betroffen, führen die Durchblutungsstörungen zu einer halbseitigen Störung des Gesichtsfeldes (auf beiden Augen ist das jeweils halbe Gesichtsfeld eingeschränkt). Dabei stößt die Person z.B. beim Gehen in einem Raum immer wieder auf Hindernisse (Türstöcke), weil sie sie nicht sieht. Beim Fernsehen ist plötzlich eine Hälfte des Bildes verschwunden. Aber auch Doppelbilder werden von den Betroffenen gelegentlich wahrgenommen.
- Schwindel, Unsicherheit beim Gehen, Verlust von Gleichgewicht oder Koordination: Gleichgewichtsstörungen führen oft zu plötzlichen Stürzen. Betroffene verspüren einen Schwankschwindel, klagen teils über Übelkeit und müssen gelegentlich erbrechen.
- Plötzlicher, starker ungewöhnlicher Kopfschmerz: Tritt meist nur dann auf, wenn eine Gehirnblutung eingesetzt hat. Der Kopfschmerz ist einschießend, "stark wie noch nie".
- Sprachstörungen: Wörter und Sätze können oft nicht richtig gebildet und ausgesprochen werden. Das Sprachverständnis kann gestört sein, sodass die Patienten Gesprächspartner nicht mehr verstehen und Aufforderungen nicht mehr befolgen.
- Sprechstörungen: Das Sprechen ist verwaschen und undeutlich. Patienten erwecken nicht selten den Eindruck, als ob sie betrunken wären.
Treten die genannten Beschwerden auf, sofort die Rettung rufen. Hilfreich ist auch eine Notiz, wann die Symptome eingesetzt haben. Beengende Kleidungsstücke öffnen, den Betroffenen in eine angenehme Position bringen. Bei Übelkeit und Erbrechen die Person in Seitenlage (auf die gelähmte Seite) bringen, die Atemwege freihalten. Atmung und Herzschlag kontrollieren.
In Österreich gibt es flächendeckend in 35 Spitälern Schlaganfall-Überwachungsstationen, sogenannte Stroke Units, die innerhalb von maximal 45 Minuten erreichbar sein sollten. Dort steht ein spezielles Ärzte- und Therapeutenteam zur Verfügung, das viel dazu beiträgt, körperliche Schäden und den Grad einer möglichen Behinderung möglichst gering zu halten. Je früher der Patient in einer Stroke Unit versorgt wird – am besten innerhalb von 4,5 Stunden ab Beginn der Beschwerden – desto geringer die Komplikationen und desto höher die Chance, dass sich alle Symptome wieder zurückbilden.
In diesen Schlaganfall-Einheiten besteht die Möglichkeit, nach der neurologischen Untersuchung, dem EKG, der Blutabnahme und nach der Erstellung einer CT bzw. MR eine wichtige Form der Akuttherapie, die Thrombolyse durchzuführen. Dabei wird durch Gabe eines bestimmten Medikaments das Blutgerinnsel, welches ein Hirngefäß verstopft, aufgelöst und das Gefäß wiedereröffnet. Diese Therapie ist allerdings nur innerhalb der ersten 4,5 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome möglich. Allerdings, je früher mit der Thrombolyse begonnen wird, desto größer ist der Erfolg. Somit spielt der Zeitfaktor eine sehr große Rolle – nach dem Motto "Time is brain!"
Zunehmend werden spezielle Kathetersystemverfahren (zerebrale Thrombektomie) eingesetzt, welche bei schweren Schlaganfällen eine rasche Entfernung/Absaugung des gefäßverschließenden Gerinnsels (Thrombus) ermöglichen. Bei einer Gehirnblutung ist manchmal eine Operation nötig. Die Aufenthaltsdauer an einer Stroke Unit beträgt im Schnitt 3 bis 5 Tage.
Danach erfolgt die Weiterbehandlung in der Regel an einer neurologischen Abteilung mittels medikamentöser und nicht-medikamentöser Therapien. Eine Verengung der Halsschlagader wird dann operiert, wenn das Ausmaß über 70% beträgt (aber noch kein Verschluss besteht) und die Transitorische Ischämischen Attacke (TIA) bzw. der Schlaganfall nicht länger als 6 Monate her sind.
Die Folgen eines Schlaganfalls - besonders wenn er zu spät behandelt wurde – lassen sich mit gezielter Therapie nur langsam verbessern. Je früher das Training startet, desto besser. Teile des Gehirns müssen die Funktionen des verletzten Gehirnareals übernehmen. Das erfordert viel Training und Geduld. Zum Einsatz kommen dabei Physio- und Ergotherapien sowie logopädische Maßnahmen.
Innerhalb der ersten 5 Jahre nach einem Schlaganfall erleidet ungefähr jeder dritte Betroffene einen neuerlichen Schlaganfall. Daher ist es sehr wichtig, die Risikofaktoren (hoher Blutdruck, Nikotin, Bewegungsmangel etc.) zu minimieren. Auch Medikamente helfen, einen weiteren Schlaganfall zu verhindern. Dazu zählen unter anderem Medikamente zur Senkung des Blutdrucks und des Cholesterins, aber auch Medikamente, die die Blutgerinnung beeinflussen, z.B. Blutverdünner (Antikoagulantien) bei Vorhofflimmern. Am häufigsten werden Präparate verschrieben, welche das Zusammenkleben der Blutplättchen verhindern, um so das Risiko für Gefäßverschlüsse zu minimieren. Einer dieser Wirkstoffe ist die Acetylsalicylsäure (ASS), besser bekannt als Aspirin. Daneben kommen noch Clopidogrel, Dipyridamol und Ticlopidin zur Anwendung. Grundsätzlich sollte auf einen gesunden Lebensstil geachtet werden. Dazu gehören bestimmte diätetische Maßnahmen, Vermeidung des Nikotinkonsums und regelmäßige körperliche Aktivität.
- Pressekonferenz der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie: „European Month of the Brain, deutlicher Anstieg prognostiziert – enorme Kosten durch neurologische Erkrankungen“ am 13.5.2013 in Wien
- Pressekonferenz „Schlaganfallbilanz anlässlich des Welt-Schlaganfall-Tages und des Gefäßtages 2012“ am 24.10.2012 in Wien
- R. Saurugg: Schlaganfall. Die Zeichen richtig deuten: In: Hausarzt 2013, 3:18 ff
- Positionspapier "Akutmanagement und Sekundärprävention des Schlaganfalls", Österreichische Schlaganfall-Gesellschaft (ÖGSF) (Hrsg), Wien, 2009 (13.08.2020)
- Österreichisches Schlaganfallregister (13.08.2020)