(Un)erfüllter Kinderwunsch

Abbildung einer künstlichen Befruchtung
Die In-Vitro-Fertilisation
© IVF) ist eine Methode, bei der eine Befruchtung der Eizelle außerhalb des weiblichen Körpers stattfindet (Nixx Photography / Shutterstock.com
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Weltweit steigt die Anzahl an Kinderwunschpaaren. Das ist der Trend, den Reproduktionsmediziner Assoz. Prof. Dr. Kazem Nouriam am MeinMed-Abend am 2. April bestätigte.

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Der stellvertretende Abteilungsleiter der klinischen Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde (MedUni Wien) zeigte im Van Swieten Saal eindrucksvoll, welche Möglichkeiten die Reproduktionsmedizin im 21. Jahrhundert bei unerfülltem Kinderwunsch bietet.

Der Mediziner bot im Rahmen des MeinMed-Vortrags einen interessanten historischen Einblick in das Fachgebiet. Es war am 25. Juli 1978 als das erste Baby geboren wurde, das durch künstliche Befruchtung (IVF = In-Vitro-Fertilisation) gezeugt wurde. Als „Erfinder“ dieser Methode gelten der Gynäkologe Patrick Steptoe und der Physiologe Robert Edwards. Ihnen gelang damit ein Meilenstein und Robert Edwards wurde im Jahr 2010 der Nobelpreis für Physiologie zuerkannt.

In Österreich kam 1982 das erste Baby zur Welt, dessen Mutter künstlich befruchtet wurde. „Heute werden acht Millionen Menschen weltweit mithilfe der künstlichen Befruchtung geboren“, sagt Kazem Nouri. Seit 2001 werden künstliche Befruchtungen in Österreich auch registriert. Waren es im Anfangsjahr 5.000 Behandlungszyklen, so verzeichnete man 2017 bereits 11.000 Zyklen. „Mit Aufkommen der Pille hat sich das Durchschnittsalter der Erstgebärenden erhöht“, so der Mediziner. Das Durchschnittsalter in Österreich liegt bei 34 Jahren, der EU-Durchschnitt liegt bei 31 Jahren. Über diesem Durchschnitt liegen auch Italien, Spanien, Norwegen oder Finnland. Hochgerechnet könnte zwischen 2025 und 2035 dieses Alter bei 45 Jahren liegen, möglich ist dies für Frauen auch mithilfe der IVF.

Während bei Frauen das fortgeschrittene Alter eine „natürliche Befruchtung“ erschwert, liegen bei Männern Gründe wie schlechte Samenqualität oder -quantität vor. Gründe dafür sind Umweltfaktoren, chemische Belastungen sowie der Lebensstil (ungesundes Essen, zu wenig Bewegung, Rauchen). Weltweit ist daher die Anzahl von Kinderwunschpaaren von 39 vor zehn Jahren auf gegenwärtig 48 Millionen gestiegen. Kazem Nouri: „Allein in Indien gibt es 30 Millionen Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Zum Vergleich: im Jahr 2005 gab es in Indien 108 Kliniken, die 1.000 Behandlungszyklen verabreichten, 2018 sind es 2.700 Kliniken und 19.000 Zyklen.

Heute werden acht Millionen Menschen weltweit mithilfe der künstlichen Befruchtung geboren.

Assoz. Prof. Dr. Kazem Nouri Stv. Abteilungsleiter der klinischen Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der MedUni Wien. Foto: MedUni Wien

Sinn hat eine künstliche Befruchtung bei Sterilität, das heißt, wenn innerhalb eines Jahres bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr keine Schwangerschaft eintritt. Zum Unterschied dazu liegt eine Infertilität vor, wenn die Frau die Schwangerschaft nicht austragen kann. Eine mögliche Therapie ist die Insemination: Dabei wird unter Ultraschallkontrolle der Gebärmutter der Samen des Mannes in die Eizelle der Frau gespritzt. Im Zuge einer künstlichen Befruchtung wird die Frau zunächst mit Hormonen stimuliert (GnRH, „Gonadotropin-Releasing-Hormon“), das führt dazu, dass mehrere Eizellen entstehen. Mittels Punktion werden mehrere Eizellen aus der Gebärmutter transferiert, in einer Schale wird die Samenzelle eingebracht, die – wenn sie stark genug ist – in die Eizelle eindringt. Ist die Samenzelle zu unbeweglich, um die Eizelle in vitro selbst zu befruchten, wird eine Samenzelle direkt in die Eizelle eingespritzt. Nach fünf Tagen werden die besten Embryonen wieder in die Gebärmutter eingebracht, andere werden eingefroren oder beseitigt.

Seit 1992 gibt es in Österreich ein Fortpflanzungsgesetz, der die rechtlichen Rahmenbedingungen sichert. Eine künstliche Befruchtung ist möglich, wenn die Frau unter 40, der Mann unter 50 Jahren ist und für die ungewollte Kinderlosigkeit Ursachen, wie verschlossene Eileiter, Hormonstörungen, schlechte Samenqualität oder -quantität uvm. vorliegen. 2018 lagen die Ursachen für Kinderlosigkeit zu 54,1 Prozent an schlechter Samenqualität, in 14.1 Prozent bei gynäkologischen Problemen der Frau und bei beiden Partner zu 38,1 Prozent. Die Kosten für eine künstliche Befruchtung werden in Österreich vom IVF-Fonds zu zwei Drittel getragen, 900 Euro kostet das Verfahren für die Betroffenen.

Seit der Gesetzesnovelle 2015 ist Frauen unter 30 Jahren auch eine Eizellenspende erlaubt, vorausgesetzt, die Empfängerin ist nicht älter als 45 Jahre. Diese ist angezeigt, wenn eine Frau über zu wenig Eizellen verfügt. Mit der Novelle ist auch lesbischen Paaren eine Befruchtung mittels Samenspende erlaubt. Der Spender muss diese als humanistischen Akt sehen und erhält keine finanziellen Mittel dafür. Außerdem ist es Kindern ab dem 14. Lebensjahr erlaubt, ihren biologischen Vater kennenzulernen.


Autor:in:
Redaktionelle Bearbeitung:
Erstellt am:

5. April 2019

Stand der medizinischen Information:

5. April 2019


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