Tipps für einen gesunden Darm

Darstellung von Dünndarm und Dickdarm
Kohlensäure führt entgegen aller Mythen nicht zu Blähungen.
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Ein gesunder Darm macht das ganze Leben angenehmer. Der Gastroenterologe und Forscher Univ.-Prof. Dr. Christoph Gasché gibt gute Tipps und räumt mit vielen Irrtümern auf.

Medizinische Expertise

Christoph Gasché

Univ.Prof. Dr. Christoph Gasché

Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie
Heiligenstädterstraße 50-52, 1190 Wien
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Inhaltsverzeichnis

Der Darm ist das Zentrum unseres Immunsystems – Was können wir selbst zur Damgesundheit beitragen? Joghurt soll probiotische Wirkung haben. Lactobazillen und Bifidobakterien sind die wohlklingenden Schlagworte in diesem Zusammenhang. Aber stecken sie in allen Joghurts? Und führt Mineralwasser wirklich zu Blähungen? Und wie hängen Kaiserschnitt und eine gesunde Darmflora zusammen? Über diese Fragen haben wir mit Dr. Chris Gasché gesprochen.

Dr. Christoph Gasché: Das sind Bakterien, die einen Teil unserer Darmflora bilden. Es gibt etliche Stämme davon, der Großteil aber ist nicht gut untersucht. Mit großer Sicherheit gehören jedoch alle diese Bakterien zu den guten. Sie sind also vorteilhaft für unsere Gesundheit.

Dr. Christoph Gasché: Unter anderem weiß man von E. Coli Nissle, dass sie bei der entzündlichen Darmkrankheit Colitis ulcerosa sehr hilfreich sind. Es gibt auch einige Nahrungsergänzungsmittel mit diversen Probiotika-Stämmen, verlässlicher wirksam sind jedoch Arzneimittel, die damit produziert werden. Nicht verlassen würde ich mich auf Präparate, die nur im Internet erhältlich sind. Es ist ja hinsichtlich bekannt, wie oft via Internet gefälschte Präparate geliefert werden, die im besten Fall nicht schaden, im schlimmsten Fall aber gefährlich sind.

Dr. Christoph Gasché: Relevant sind da vor allem die Lactobazillen und die Bifidobakterien. Die siedeln sich aber meist nicht im Darm an, das heißt, sie führen nicht zu einer längerfristigen Veränderung der Darmflora. Aber sie wirken sicher reinigend und sind daher zweifelsfrei positiv.

Dr. Christoph Gasché: Das schöne, glatte weiße, stichfeste Joghurt, das man aber in Österreich leider fast nicht mehr erhält.

Dr. Christoph Gasché: Das stichfeste Joghurt wird in der Verpackung vergoren. Damit ist aber die Vergärung von Becher zu Becher leicht unterschiedlich, das heißt die Produktkonstanz ist nicht einwandfrei gegeben. Daher ist man auf eine gerührte Vergärung in Bottichen umgestiegen. So hat man zwar Produktkonstanz, die Vielfältigkeit geht jedoch dabei verloren. Für den Darm ist es aber gesünder, wenn das Joghurt einmal mehr, einmal weniger stark vergoren ist, und das ist bei der Bechergärung der Fall. Abgesehen davon ist jedes Joghurt mehr oder weniger gleich gut, die viel beworbenen sind nicht besser, denn diese bieten auch keine Vielfältigkeit. Unsere Darmgesundheit aber liegt in der Vielfalt der Darmflora, jede Darmkrankheit bedeutet Verlust an Vielfältigkeit.

Dr. Christoph Gasché: Ja, absolut, die Lebensmittelindustrie mit ihrer Gleichmäßigkeit bei den Produkten ist nahezu ein Feind des Menschen. Standardisierung heißt Verlust an Vielfältigkeit und damit auch an Diversität unserer Darmflora. Am günstigsten ist es, wenn wir so an die 100 bis 200 verschiedenen Arten von Darmkeimen haben. Das ist aber bei den wenigsten Menschen der Fall, in der westlichen Welt ist eine hoch diverse Darmflora fast ausgestorben. Unsere Darmflora ist entgegen früheren Annahmen eine ganz empfindliche Biosphäre.

Dr. Christoph Gasché: Das ist gar nicht so einfach. Das stichfeste Joghurt bekommt man z.B. sehr schwer und auch bei den Getreideprodukten ist die Situation nicht besser. Die Nahrungsmittelindustrie mahlt das Mehl so fein, dass es nur einer sehr geringen Verdauungsleistung bedarf, um das Mehl aufzunehmen. Das heißt, das Mehl wird im Dünndarm komplett aufgenommen, es kommt gar nichts mehr davon im Dickdarm an, und hier sitzen aber 99 % der Bakterien. Die haben sozusagen nichts mehr zu tun, es fehlt ihnen an Energiestoffen und sie gehen verloren. Diese Bakterien aber unterstützen auch unsere Abwehrkräfte, rund 70 % der Abwehrzellen unseres Immunsystems sind im Dickdarm angesiedelt.

Dr. Christoph Gasché: Das bringt nicht allzu viel, denn auch dafür wird das Mehl sehr fein gemahlen. Wirklich empfehlenswert ist nur Vollkornbrot, am besten kauft man das in einem Bioladen. Je weniger fein das Korn vermahlen ist, desto schwerer können es unsere Verdauungsenzyme auflösen und desto mehr kommt davon im Dickdarm an. Und das bedeutet, dass die Bakterien beschäftigt sind und das ist von großem Vorteil. Wer nun echtes Vollkornbrot in seinen Speiseplan aufnimmt, sollte mit kleineren Mengen beginnen, denn sonst kann das zu Blähungen führen.

Dr. Christoph Gasché: Nie und nimmer, das landet sofort im Magen, das wird innerhalb der ersten 10 Minuten neutralisiert.

Dr. Christoph Gasché: Unter anderem Präbiotika, das sind Nahrungsmittel, die das Wachstum der Darmbakterien fördern. Konkret handelt es sich um Nahrungsmittelbestandteile, die von den Bakterien weiter verarbeitet werden können. Traubenzucker beispielsweise ist innerhalb von 10 Minuten im Blut, davon haben die Darmbakterien rein gar nichts, weil nichts davon im Dickdarm ankommt. Gut sind Faserstoffe, denn sie gelangen in den Dickdarm. Viele solcher Faserstoffe haben etwa Bohnen, Fisolen und Linsen.

Dr. Christoph Gasché: Ja, dafür gibt es noch mehrere Gründe. Einer davon ist die übertriebene Hygiene. So werden Bakterienstämme nicht mehr von einer auf die andere Generation übertragen. Ich finde, wir sollten unsere Hygiene-Hysterie überdenken und Kinder nicht klinisch rein halten. Zumindest innerhalb der Familie müsste man diesbezüglich lockerer umgehen. Man sollte viel mit den Babys schmusen und das Kind innerhalb der Familie ruhig herumreichen.

Dr. Christoph Gasché: Viel mehr als man annehmen möchte. Der natürliche Geburtsvorgang ist ganz, ganz wichtig für die Übertragung der Darmflora von der Mutter auf das Kind. Bei einem Kaiserschnitt bekommt das Kind keine Bakterienstämme von der Mutter mit und es ist erwiesen, dass die meisten Kaiserschnitt-Kinder bereits ab ihrem 20. Lebensjahr Probleme mit der Verdauung haben. In diesem Licht ist die zunehmende Anzahl von Kaiserschnitten durchaus negativ zu sehen. Früher gab es bei einer von 1000 Geburten einen Kaiserschnitt, heute sind es 20 bis 30 %.

Dr. Christoph Gasché: Zweifellos. Eltern sollten nicht wegen jeder kleinen Verkühlung bei ihrem Arzt auf Antibiotika für ihr Kind drängen, denn sie tun ihrem Nachwuchs damit nicht immer Gutes. So können mehrere Antibiotika-Zyklen in der Kindheit die Darmflora durchaus nachhaltig beeinflussen.

Dr. Christoph Gasché: Eine US-amerikanische Forschergruppe hat nachgewiesen, dass Mäuse, denen man niedrige Konzentrationen von Antibiotika ins Futter gab, um 10 bis 20 % an Gewicht zulegten und das durch Zunahme der Fettmasse. Dieser Effekt ist durch die veränderte Darmflora zu erklären. Die amerikanische Fleischindustrie weiß das schon lange und verabreicht daher fallweise Antibiotika niedrig konzentriert mit dem Futter.

Dr. Christoph Gasché: Ja, eine Teilschuld trägt sie ganz sicher und zwar nicht nur durch Antibiotika im Tierfutter und zu fein gemahlenem Mehl. Auch die vielen Zusatzstoffe in den Lebensmitteln können unsere Darmflora negativ beeinflussen. Mir ist lieber eine Marmelade, die nach 2 oder 3 Wochen schimmelt als eine, die nach 3 Monaten noch ok ist. In dem Fall ist Schimmel ein Zeichen für eine natürliche, gute Marmelade ohne Berge von Chemie. Auch Obst und Gemüse im Supermarkt sind häufig mit Konservierungsmitteln versehen.

Dr. Christoph Gasché: Die gesunde Schokolade gibt es nicht, aber sie ist bei weitem nicht das Schädlichste für unseren Darm. Abgesehen davon ist auch Zucker nicht wirklich ein Darmfreund. Der kommt ja leider nicht nur in Schokolade vor, sondern in sehr, sehr vielen anderen Lebens- und Nahrungsmitteln.

Dr. Christoph Gasché: Ja, sehr wahrscheinlich. Aber nicht das rote Fleisch alleine ist das Problem, sondern, dass wir insgesamt viel zu viel Fleisch konsumieren. Wer täglich Fleisch verzehrt, schadet seinem Darm. Aber leider ist Fleisch, EU-gestützt, heute billiger als vor 20, 30 Jahren, während Gemüse relativ teuer ist.

Dr. Christoph Gasché: Nach einem fetten Essen kann ein Schnapserl die Verdauung schon erleichtern. Auch gegen ein gutes Glaserl Wein hier und da ist nichts einzuwenden. Alkohol in Maßen – aber bitte wirklich in Maßen – ist keine Todsünde für den Darm. Nikotin ist es da schon viel eher, es fördert nicht nur Lungenkrebs, sondern auch Darm- und Leberkrebs.

Dr. Christoph Gasché: Ja, ja und noch einmal ja. Abgesehen vom Salz kann man seine Speisen gar nicht genug würzen. Paprika, Rosmarin, Chili, Thymian, Lorbeerblatt und Ingwer sind wunderbar für den Darm, auch in getrockneter Form. Kreuzkümmel etwa, das haben neuere Forschungen ergeben, hat eine signifikant krebshemmende Wirkung.

Dr. Christoph Gasché: Viel davon ist gut, viel Regionales noch besser und viel Regionales und Saisonales am besten.

Dr. Christoph Gasché: Ja, unbedingt, je mehr, desto besser. Bewegung bedeutet Durchblutungsförderung, auch für den Bauchbereich. Und eine gute Durchblutung ist Voraussetzung für eine gute Verdauung.

Dr. Christoph Gasché: Im Prinzip steht eine gute Verdauung auf 3 Beinen. Eines davon ist die Bewegung. Das 2. ist genug Flüssigkeit, 2 – besser noch 3 Liter am Tag. Das 3. "Standbein" ist eine Ernährungsumstellung auf faserstoffreiche Kost. Also viel Obst und Gemüse und Joghurt, eventuell mit einem Esslöffel Weizenkleie oder Leinsamen.

Dr. Christoph Gasché: Nein, keinesfalls, das braucht unser Darm nicht. Jeder hat seinen eigenen Rhythmus, manche Menschen essen nur einmal am Tag und das ist auch ok. Auch 5 Mahlzeiten sind in Ordnung, solange man keine Gewichtsprobleme hat.

Dr. Christoph Gasché: Das hängt natürlich schon auch von der Art der Diät ab, aber im Prinzip fühlt sich jeder nach jeder Form von Diät besser. Man lebt einfach bewusster, verzichtet auf dies oder jenes und fühlt sich alleine dadurch besser. Es gibt sozusagen keine Diät, die nicht wirkt, aber die allermeisten sind nicht nachhaltig. Wir hatten noch nie so viele unterschiedliche Diäten wie heute und gleichzeitig noch nie so viele übergewichtige Menschen. Das könnte aber auch mit unserer verarmten Darmflora zu tun haben.

Dr. Christoph Gasché: Unsere Darmflora hat durch Nahrung, Lebensstil, Hygiene und Antibiotika ihre Diversität verloren, das ist sicher. Nun hat sich im Tierversuch Folgendes gezeigt: Man hat die Darmflora von Mäusen, die durch Antibiotikagabe fett geworden sind und deren Darmflora auf diese Weise verändert wurde, schlanken Mäusen implantiert. Und siehe da, diese Mäuse sind dann auch dick geworden, ohne dass sie gemästet worden wären. Der Schluss, dass wir Menschen infolge unserer verarmten Darmflora immer fetter werden, ist also durchaus einen Gedanken wert.


Autor:in:
Medizinisches Review:
Erstellt am:

15. März 2016

Stand der medizinischen Information:

15. März 2016


Quellen:

Interview mit Univ.Prof. Dr. Christoph Gasché, Innere Medizin / Gastroenterologie & Hepatologie Leiter des Christian Doppler Labors, Univ. Klinik für Innere Medizin III (AKH Wien) / Gründer und Leiter des Medizinischen Kompetenzzentrum Eisenmangel Loha for Life


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